Kultur

Der Intendant als Artus: "Um dann gemeinsam in den Krieg zu ziehen“

Dem Theater an der Wien steht in der kommenden Spielzeit nicht weniger als eine Revolution bevor. Nicht nur wird mit Stefan Herheim in der 17. Spielzeit des Opernhauses 2022/23 der erst zweite Intendant seine Arbeit aufnehmen. Dank der Generalsanierung des Hauses spielt dieser für zwei Jahre auch im Ausweichstandort Museumsquartier. Und er hat mit „MusikTheater an der Wien“ auch noch ein neues Logo im Angebot - sowie 13 szenische Produktionen, die er am Samstag enthüllte.

„Wir haben mehr Herausforderungen, als wir uns erhoffen konnten“, gestand Herheim zu: „Das Haus hat nie einen Intendantenwechsel gehabt, was man auch merkt.“ Nicht zuletzt sei er eine völlig andere Persönlichkeit als sein Amtsvorgänger Roland Geyer: „Ich bin vielleicht eher ein Artus, der seine Leute um den Tisch versammelt, um dann gemeinsam in den Krieg zu ziehen und für die Gerechtigkeit zu kämpfen.“

 

Dabei habe er selbst eigentlich nie die Position eines Intendanten angestrebt: „Ich wollte nie Management betreiben und hielt mich auch nie dafür geeignet. Nach vielen Jahren als Regisseur habe ich aber gemerkt, dass ich gerne bessere Voraussetzungen für die Institutionen schaffen würde.“

Dabei legt Herheim ein klares Bekenntnis zum Stagione-Betrieb des Hauses ab, für das er 2022/23 insgesamt 140 Veranstaltungen vorgesehen hat. In den szenischen Premieren und den flankierenden Programmen erstreckt sich die Bandbreite dabei vom Frühbarock bis zur Moderne.

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Die erste Premiere im temporären Haupthaus Museumsquartier verantwortet gleich der Chef persönlich, wenn Herheim Janáčeks „Das schlaue Füchslein“ in der Halle E inszeniert, wofür ihm Mélissa Petit als das Schlaue Füchslein und Dirigentin Giedrė Šlekytė am Pult der Symphoniker zur Seite stehen. Im Laufe der Saison folgen etwa Bayreuth-Shootingstar Tobias Kratzer mit Rossinis „La gazza ladra“ (16. November) und am 15. Dezember eine Familienoper zu Weihnachten - ein künftiger Fixpunkt im Programm.

Den Auftakt macht hier Gian Carlo Menottis „Amahl und die nächtlichen Besucher“ aus 1951. „Für mich war das damals eine Initialzündung“, erinnerte sich Herheim selbst an seine eigene Operninitiation via TV. Entsprechend inszeniert auch dieses Stück der Intendant selbst, der ein Riesentamtam a la „Aida“ versprach - ein Paukenschlag auch für die neue Jugend-Vermittlungsschiene unter dem Titel „TaWumm!“.

Im Verlauf sind dann bis zum Ende der Spielzeit Offenbachs „La Périchole“ (16. Jänner 2023) in der Regie von Puppenmeister Nikolaus Habjan („Ein bisschen Kontinuität muss sein“, konstatierte Herheim), Händels Oratorium „Belshazzar“ (20. Februar 2023) in der musikalischen Deutung von Christina Pluhar, Webers „Der Freischütz“ (22. März 2023) als Koproduktion mit dem Teatro Real Madrid und Mieczysław Weinbergs letzte Oper „Der Idiot“ (28. April 2023) zu erleben. Gemeinsam mit den Festwochen schließlich hebt man zum Saisonende noch Alban Bergs „Lulu“ mit Vera-Lotte Boecker in der Titelpartie auf die Bühne (27. Mai 2023).

Das Junge Ensemble in der Kammeroper wird hingegen aufgelassen. „Wir werden nicht das dritte Opernstudio der Stadt weiterführen“, unterstrich Peter Heilker als stellvertretender Intendant. Man nutze den Standort künftig ohne die Beschränkungen eines fixen Ensembles dezidiert für Kammerformate.

Gleich die erste Premiere der Saison findet hier mit Francesca Caccinis frühbarockem, mutmaßlich erstem Opernwerk einer Komponistin, „La liberazione“, am 6. Oktober statt. Am 3. Dezember folgt Vicente Martín y Solers Komödie „L'arbore di Diana“, dem sich am 14. Februar 2023 die Wien-Premiere von Peter Eötvös' Schimmelpfennig-Adaption „Der goldene Drache“ anschließt. Am 12. April 2023 ist die Opernperformance „SuperZero, Baby“ angesetzt, die von der österreichisch-kurdischen Künstlerin Scharmien Zandi konzipiert wird. Und letztlich beschließt Erich Wolfgang Korngolds letztes Bühnenwerk „Die stumme Serenade“ aus 1954 am 5. Juni 2023 hier den Premierenreigen.

Bestehen bleibt auch unter Herheim die enge Kooperationen mit dem RSO, den Wiener Symphonikern sowie dem Arnold Schoenberg Chor. Zugleich hat man vor allem im Barockbereich einige neue Ensembles im Angebot, mit denen man die Zusammenarbeit auch in Zukunft fortführen möchte. Fortgesetzt wird ebenso die Tradition der konzertanten Barockopern, von denen neun zu hören sein werden. Neu ist hingegen die Schiene „Late Night“, die in der Kammeroper spätabends einen Mix von Musikkabarett bis Jazz bietet, was auch für das Format „Zugabe“ gilt, bei dem künstlerische Partner des Hauses Programme präsentieren.