Kultur

Deichkind: Am dümmsten Song gescheitert

Nicht, dass du für diesen Blödsinn auch noch Geld ausgibst!" Mit Blödsinn meint Sebastian "Porky" Dürre, einer der Frontmänner von Deichkind, seine eigene Show. Am Ende des Interviews zum neuen Album "Niveau Weshalb Warum" lädt er den KURIER zum nächsten Konzert ein, stellt beim Management sicher, dass dafür ein Gratisticket hinterlegt wird.

Wird gemacht, heißt es. Porky grinst schelmisch, macht damit klar, dass er den "Blödsinn" genauso selbstironisch wie ernst meint. Denn jahrelang agierten Deichkind nach dem Prinzip von Chaos und Freiheit, bezogen einen Teil ihres Charmes aus dieser trashigen Attitüde. Doch mit dem Sensationserfolg ihres Hits "Leider geil" und dem Album "Befehl von ganz unten" ist die Truppe zu einem kommerziellen und damit zwangsläufig professionellerem Unternehmen geworden.

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"Unsere Bandgeschichte ist holprig", erzählt Philipp Grütering. "Sowohl in finanzieller, als mit oftmaligen Besetzungswechsel auch in freundschaftlicher Hinsicht mussten wir viele Rückschläge einstecken. Über die Jahre hatten verschiedene Mitglieder verschieden viel Einfluss, weshalb sich unser Stil oft geändert hat. Aber jetzt brauchen wir eine Struktur."

Freiheit

Deshalb haben Deichkind ihr eigenes Label gegründet. Nicht nur, weil "viel an uns vorbei verdient wurde", als sich Grütering, Porky, DJ Henning Besser und Rapper Ferris MC ausschließlich um die Musik gekümmert haben. "Es ist ganz gut, in dem eingespielten Team weiterzumachen und nicht wieder auseinanderzukrachen, weil wir nichts besprochen haben. Aber natürlich ist uns die Freiheit, jederzeit jeden Blödsinn machen zu können, nach wie vor wichtig."

Trotzdem gibt Grütering zu, in den Songs für "Niveau Weshalb Warum" gezielter als früher auf Aussage geachtet zu haben. Nachdem "Leider geil" zum Slogan (in Österreich zum Jugendwort des Jahres) wurde, wussten Deichkind, dass sich viele Fans mit den Texten beschäftigen. "Wir sind keine Band für einen Rotwein-Abend, wo man zusammen kocht. Wir sind auf den hedonistischen Party-Gedanken und das befreite Abfeiern ausgerichtet. Aber wir brauchen auch einen Gegenpol dazu", erklärt Grütering.

So beleuchten Deichkind – musikalisch mit der bewährten Mischung aus Techno und Hip-Hop – mit "Pointen und ironischem Blick" alles, was ihnen im Alltag unangenehm auffällt. Aber egal ob es um Datenschutz, rücksichtslose Ellenbogen-Techniken ("Denken Sie Groß") und in "Like mich am Arsch" um die sozialen Medien geht – Porky betont, dass Deichkind trotzdem ganz bewusst nur Beobachter sind.

Spiegel

"Es gibt so viele unterschiedliche politische und soziale Denkformen. Wie soll man das unter einen Hut kriegen, wenn man nicht jemandem seine Meinung aufdrängen will? Das größte Problem unserer Gesellschaft ist doch, dass Leute anderen ihre Meinung aufdrängen wollen und davon überzeugt sind, dass die die einzig richtige ist. Aber ich maße mir das nicht an. Wir dokumentieren lieber, was wir sehen, sind ein Spiegel der Gesellschaft." Das sollen auch die neuen Bühnen-Outfits symbolisieren, die mit Handys beklebt sind und zeigen, was beim Konzert im Publikum abgeht.

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Nur für den Titelsong "Niveau Weshalb Warum" wollten Deichkind doch wieder einmal ziellos vor sich hin reimen: "Wir wollten denn dümmsten Song schreiben", sagt Porky. "Beim Texten ging es: Nee, du denkst schon wieder zu viel, schenk dir noch einen Whiskey ein! Aber das hat nichts genützt, wir sind daran gescheitert. Denn irgendwann greifst du immer auf dein Handwerk zurück und bringst Niveau rein." Auch das ist wohl ein Resultat der gestiegen Professionalität.

Deichkind auf Österreich-Tournee:
23. 4. Graz/Stadthalle
24. 4. Linz/TipsArena
Nova-Rock von 12.–14. Juni in Nickelsdorf

Deine Eltern sind auf einem Tennisturnier. Du machst eine Party, wie nett von Dir." So beginnt Deichkinds Partykracher "Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah)". Wer das Buch "Deichkind: Eine Prise Mythos" durchblättert, kann sich ein gutes Bild davon machen, was bei einem Deichkind-Konzert so los ist: Die Spaßtruppe aus Hamburg reitet mit einem Gummiboot über Menschenhände, reicht den Fans in den ersten Reihen einen Gartenschlauch, aus dem dann Bier, Wein oder was auch immer fließt. Im Hintergrund explodieren Confetti-Bomben, ziehen dichte Rauchschwaden auf und wird in Punkto Pyrotechnik vieles geboten. Musik gibt es auch: Die Vorschlaghammer-Beats und hyperventilierende Synthesizersounds kommen aus dem Verborgenen. Darüber rappen die sechs Bandmitglieder sozialkritische Texte und Parolen, die sich auch auf T-Shirts gut machen würden: Bück! Dich! Hoch!

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