Kultur

Das hell erleuchtete Mittelalter

Es wäre an der Zeit, innezuhalten. Zeit, herunterzusteigen vom Hype um jenes Bild, das 450 Millionen US-Dollar gekostet hat, und den Blick ein wenig zu weiten: Was wurde denn eigentlich um 1500, als Leonardo da Vinci jenes für seinen Stil so ungewöhnlich starre Christusbild gefertigt haben soll, sonst noch so gemalt? Wie sah die Kunst am Vorabend der Renaissance aus, was wurde von ihr erwartet?

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Die Schau "Meisterwerke im Fokus – Rueland Frueauf d. Ä. und sein Kreis" (bis 11.3.2018) vermag solche Fragen zu beantworten, und sie sei auch jenen ans Herz gelegt, die sich sonst nicht so für mittelalterliche Kunst erwärmen können. Meist fehlt dieser ja der Personenkult, es gibt keine Stars wie Leonardo oder Raffael – über die Qualitäten der Malerei sagt dies aber eher wenig aus.

Salzburg und Passau

Auch über den Maler Rueland Frueauf, der zwischen 1440 oder ’50 und 1507 in Salzburg und Passau lebte, ist nicht allzu viel bekannt. Doch sticht er aus der Menge seiner Zeitgenossen schon dadurch hervor, dass er seine Bilder in einer für damalige Verhältnisse ungewohnt selbstbewussten Weise mit dem Monogramm "RF" signierte. Die Belvedere-Schau, der eine umfassende Phase der Forschung und Restaurierung vorausging, versammelt fast das gesamte bekannte Werk des Malers – gemeinsam mit Bildern, die im Umfeld oder in unmittelbarer Nachfolge Frueaufs entstanden.

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Das Hauptwerk des Malers ist der "Salzburger Altar", der um 1490/’91 wahrscheinlich für die Stiftskirche St. Peter entstand. Selbstbewusst sind hier neben den "RF"-Signaturen auch die Formate: mehr als zwei Meter hoch ist jede der acht Tafeln mit Szenen aus dem Leben Jesu und Mariens, die nun im Belvedere ausgestellt sind.

Die Freude, die unglaublich lebendigen Kompositionen abzuschreiten – bloß die weihnachtliche Geburtsszene ist leider großflächig abgeschabt – hatten die Zeitgenossen des 15. Jahrhunderts nicht: Die Holztafeln waren einst doppelseitig bemalt und wurden erst später gespalten – eine Praxis, die Konservatoren bis heute Kopfzerbrechen bereitet, weil das Holz dünn und damit instabil wird.

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Vom Hauptwerk strahlt die Schau in mehrere Richtungen aus – zu dem "Meister von Großgmain", der seine Bilder mit einem wiedererkennbaren Goldgrund-Muster zu zieren pflegte, und zu dem als "Rueland Frueauf der Jüngere" identifizierten Sohn des Künstlers, dessen Werke aus dem Stift Klosterneuburg geliehen wurden.

Bilddenken im Wandel

Auch wer nicht die fachliche Prägung mitbringt, sich mit exakten Stil- und Zuschreibungsfragen zu befassen, merkt in der Schau: Diese Gemälde stammen aus einer Zeit, in der die Auffassung dessen, was ein Bild können sollte, gerade massiv im Wandel begriffen war.

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Es ist etwa faszinierend zu sehen, wie der jüngere Frueauf in einem Zyklus über das Leben Johannes des Täufers verschiedene Szenen in ein kompliziert verschachteltes Raumgefüge packte und so mehrere Geschichten parallel in einem Bild zu erzählen wusste. In manchen Werken – etwa im Dreikönigs-Bild aus dem "Salzburger Altar" des älteren Frueauf – schweift der Blick durchs Fenster in weite Landschaften. Anderswo – etwa beim "Marientod" des Meisters von Großgmain – scheint sich das Geschehen in einer vergoldeten Schuhschachtel abzuspielen, es gibt keine Raumtiefe. Doch in der lebensnahen, mitunter grotesken Schilderung hatten die Maler schon die Luft einer neuen Zeit geatmet.

In der Generation nach Frueauf hatten dann Berühmtheiten wie Albrecht Dürer und da Vinci das Sagen. Das Abenteuer des neuen Sehens aber hatte da längst schon begonnen.