Kultur

Das Ende ist zum Greifen nah

Der Weltuntergang hat immer Saison. Von "I am Legend" von Richard Matheson über Cormac MacCarthys "Die Straße" bis zu Margret Atwoods "Oryx und Crake" reichen die Literatur-Klassiker, die sich mit den Varianten der schlechtesten aller Welten beschäftigen.

Als 2012 der Residenz-Verlag Hannelore Valencaks post-apokalyptischen Roman "Die Höhlen Noahs" aus dem Jahr Jahr 1961 wiederentdeckte, erinnerte die Literaturwissenschaftlerin Evelyne Polt-Heinzl an den Zusammenhang zwischen der Perspektivenlosigkeit der Nachkriegszeit und den literarischen Endzeitvisionen. Im Kalten Krieg lag der Gedanke an eine weltumfassende Katastrophe nahe.

Auch im Frühjahr 2015 befindet sich die Welt in einem Zustand, der wenig Anlass für Optimismus gibt. Die literarischen Neuerscheinungen sind ein Spiegelbild dessen.

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Immensen Erfolg bei Publikum wie bei Kritik hat die gebürtige Grazerin Valerie Fritsch mit ihrem bemerkenswerten Roman„Winters Garten“. Souverän erzählt die junge Autorin darin von den großen Dingen: von Leben und Tod, von Anfang und Ende. Einem sinnlichen Sehnsuchtsort ist eine Welt des Verfalls gegenüber gestellt.
Valerie Fritsch: „Winters Garten“. Suhrkamp. 154 Seiten. 17,50 Euro.

Eine Post-Apokalypse wie aus dem Lehrbuch hat Edan Lepucki mit ihrem Debütroman "California" geschrieben. Der große Erfolg dürfte ihren US-Verleger Hachette (der mit Amazon im Clinch liegt) überrascht haben: Er plante laut N.Y.Times nur eine kleine Auflage dieser verstörenden Zukunftsvision. Durch den Talkmaster Steven Colbert, der das Buch in seiner Show als Symbol der Anti-Amazon-Bewegung feierte, wurde der Roman zum Bestseller.

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Edan Lepucki: „California“. Aus dem Amerikanischen von Gesine Schröder. Blumenbar. 448 Seiten. 20,60 Euro.

Lepucki beschreibt darin das L.A. der Zukunft: Nach Naturkatastrophen, die Teile der USA komplett verwüstet haben, bunkern sich die Wohlhabenden in bewachten Communitys ein und verhindern, dass weniger Begüterte eingelassen werden. Wer kann, flüchtet in die Wildnis. Eine Gruppe Aufständischer will mit "The Land" ein Gegenmodell verwirklichen. Lepucki konstruiert ihre düstere Story aus den klassischen Elementen der Dystopie: eine geschlossene Gesellschaft, die den Anspruch hat, die Verwirklichung einer Utopie zu sein. Und deren Abgründe nach und nach zu Tage kommen. Lepuckis routiniert konstruierte Systemkritik beeindruckt, weil sie nah an den Möglichkeiten bleibt. Die Naturkatastrophen, die ihrem Endzeit-Szenario vorangehen, ähneln jenen, vor denen Klimaforscher warnen. Das spärliche Hab und Gut der Protagonisten besteht aus Überbleibseln unserer Zivilisation. Lepuckis utopische Stadt wird von riesigen Türmen abgeschottet, erbaut aus dem Elektromüll des frühen 21. Jahrhunderts. Dass die Utopisten, die später zu Terroristen werden, ihre Wurzeln in einer elitären College-Gruppe haben, erinnert an Dave Eggers Roman "The Circle", der 2014 die Ängste vor den Abgründen des Vernetzungswahns beschwor. Beide Romane folgen Aldous Huxleys Szenario vom Scheitern der planmäßig verwirklichten Wohlstandsgesellschaft.

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Leif Randt: „Planet Magnon“ Kiepenheuer & Witsch, 304 Seiten, 20,60 Euro.

Mit Leif Randts "Planet Magnon" ist der Weltuntergang schon lange überwunden. Wir befinden uns in der Post-Post-Apokalypse, die wie eine Weiterentwicklung von Eggers "Circle" wirkt. Auch hier geht es um den Wettbewerb des besten Lebensstils. Das Gleichgewicht dieser perfekten Welt gerät durch das Kollektiv der gebrochenen Herzen außer Kontrolle, denn emotionale Verlierer braucht keiner. Randts Erzähler ist junger Nerd, der lustvoll mit Pseudo-Sci-Fi-Begriffen um sich wirft. Figuren tragen Namen wie "Tara Scully" und "Toby Anaheim" und Kleidungsstücke wie "Televisionshosen". Das ist reichlich erklärungsbedürftig (ein Glossar ist angefügt) und liest sich wie eine Mischung aus Akte X und Disneyland. Erfrischend, nach so viel Weltuntergang.