China: Die Angst um den neuen Kultur-Markt
Von Georg Leyrer
Wenn der chinesische Wachstumsmotor ins Stocken gerät, wird es unruhig im Wirtschaftsleben: Expertengremien wiegen bedächtig die Köpfe, die Börsenkurse fallen, die Politiker beraten.
Längst aber sind negative Entwicklungen in China – wie in den vergangenen Tagen, als der Börsenhandel ausgesetzt werden musste – auch ein Alarmsignal für große Teile der Kulturwelt.
Und das vielleicht sogar in besonderem Ausmaße.
Denn der asiatische Wirtschaftsriese setzte zuletzt überaus stark auf Kultur; sowohl als Signal wirtschaftlicher Stärke nach außen als auch, um die eigene neue Mittelklasse zu unterhalten. Globale Player wie Hollywood wollen das gewaltige chinesische Publikum erobern. Die große Zahl an Arbeitskräften und die ebenso gewaltigen Reichtümer, die einzelne Nutznießer des Systems anhäufen konnten, machen das Land zu einer Weltmacht am Kunst-, Kino- und Klassikmarkt.
Land der Rekorde
Architektur-Boom
Die namhaftesten Architekten weltweit – darunter das österreichische Büro Coop Himmelb(l)au – rittern um die Millionenaufträge der chinesischen Repräsentationsbauten.
Opernhäuser und Orchester – zuletzt u.a. die Tiroler Festspiele Erl, demnächst die Volksoper – nehmen von Tourneen durch China wichtige Einnahmen mit nach Hause.
Der österreichische Autor Thomas Brezina hat in China phasenweise mehr Bücher seines "Tiger Teams" verkauft als J. K. Rowling mit "Harry Potter".
Mit dementsprechender Sorge wird jede Abwärtsbewegung in Chinas Finanzwirtschaft auch von der Kulturseite aus betrachtet. Neu ist ein derartiges Auf und Ab nicht. Die japanische Liebe zur Klassik etwa wurde nach dem dortigen Wirtschaftsboom ab den 1970ern zu einem Standbein vieler internationaler Opernhäuser. Mit dem Einsetzen der Krise in Japan wurde es für die Klassikwelt wieder eng(er), auch wenn die japanischen Touristen bis heute ein wichtiger Faktor geblieben sind.
Zuletzt wurde heftig eine andere sprudelnde Geldquelle für die Kultur umworben: In den Boomjahren des hohen Ölpreises flossen die russischen Gelder in die internationalen Kunstauktionen und insbesondere auch in den österreichischen Markt. Kunstmessen und große Museen suchten den Kontakt und adaptierten ihr Angebot, um Geldgeber als auch Publikum aus Russland anzulocken. Doch auch dieser Motor stotterte zuletzt; beginnend mit den EU-Sanktionen auf Grund des Ukraine-Konflikts und zuletzt wegen des niedrigen Ölpreises ist die Hoffnung auf russische Mäzene zuletzt merklich geschwunden. Umso mehr hofft man nun auf China – und darauf, dass der Motor weiter läuft.