Kultur

Festspiele, wie sie sein sollen

Alexander Pereira ist zwar nicht mehr Intendant der Salzburger Festspiele, Spuren hinterlassen hat der neue Chef der Mailänder Scala an der Salzach aber allemal. Und zwar in Person von Cecilia Bartoli, die Pereira einst als Intendantin der Pfingstfestspiele installiert hat. Eine Aufgabe, die Bartoli Jahr für Jahr mit Bravour meistert und dabei regelmäßig für künstlerische Sternstunden sorgt, was auch den Sommerfestspielen zugute kommt.

Gleich zwei Pfingstproduktionen sind heuer auch im Sommer zu sehen: Glucks "Iphigenie en Tauride" sowie Vincenzo Bellinis "Norma" aus dem Jahr 2013. Und diese einst hymnisch gefeierte "Norma" hat auch bei der Wiederaufnahme im Haus für Mozart nichts von ihrer Intensität, ja Genialität verloren. Ganz im Gegenteil!

Das liegt natürlich in erster Linie an Bartoli. Denn die römische Mezzosopranistin spielt und singt diese zwischen Liebe und Verrat stehende Frau nicht nur; Bartoli ist diese Norma. Tief traurig, unendlich berührend, vokal ganz dem Ausdruck verpflichtet – hier wird Oper zu einer existenziellen Erfahrung. Umwerfend!

Salzburger "Norma" in Bildern

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Um pure, bewusst an die Grenzen des Belcanto (und darüber hinaus) gehende Wahrhaftigkeit ist auch Giovanni Antonini am Pult des exzellenten Orchestra La Scintilla bemüht: Bellinis herrliche Musik wird zu einem atemberaubenden Psychodrama. Auch dank der übrigen Protagonisten: John Osborn als höhensicherer, aufregender Pollione, die fabelhaft phrasierende Rebeca Olvera als auch stimmlich präzise Adalgisa oder Michele Pertusi als sonorer Oroveso – sie alle (samt Chor und kleineren Partien) überzeugen.

Ebenso wie die zeitlos gültige, im Widerstandsmilieu angesiedelte Inszenierung von Moshe Leiser und Patrice Caurier (Bühne: Christian Fenouillat), die diese Produktion zu einem Gesamtkunstwerk macht. Denn Leiser und Caurier gelingt die sprichwörtliche Quadratur des Kreises: Sie holen Bellini ins Heute, ohne aber die Musik zu verraten. So stringent, so aus der Musik heraus entwickelt, so ganz den Emotionen verpflichtet, sieht man Oper nicht alle Tage. Das Publikum dankte ohne jeden Widerspruch mit frenetischem Jubel. Kein Wunder, es hatte eine Sternstunde erlebt. Und die nächste folgt ab 19. August. Dann nämlich ist die "Iphigenie" erleben. Wieder mit Cecilia Bartoli in der Titelpartie.

KURIER-Wertung: