Kultur

CD der Woche: Beethoven für alle

Beethovens Musik versteht man in der ganzen Welt, weil die direkt zu Herzen geht", sagt Daniel Barenboim. Und: "Die Musik kann auch viele Barrieren überwinden." Genau darum geht es dem politisch hochgradig aktiven Künstler. Barenboim, der sich seit Jahrzehnten für eine Überwindung und Lösung des Nahostkonflikts einsetzt und für einen eigenen Palästinenserstaat plädiert, setzt auf Musik als politisches Instrument.

Friedensprojekt

1999 gründete er gemeinsam mit dem inzwischen verstorbenen Edward Said das West-Eastern Divan Orchestra, das Musiker aus Israel, den arabischen Ländern und Spanien (dort ist der Sitz des Orchesters) zusammenführt. Mit diesen (meist sehr jungen) Musikern tourt Barenboim durch die Welt; selbst Luxusfestivals wie Salzburg laden das West-Eastern Divan Orchestra immer gern ein.

Wohl auch aufgrund des philosophischen Überbaus, den Barenboim stets sympathisch und beredet propagiert. Verständlich, dass Barenboim die Arbeit mit diesem Orchester auch auf Tonträger dokumentieren will. Im konkreten Fall mit allen neun Beethoven-Symphonien in einer fünfteiligen CD-Box (erschienen bei Decca) und unter dem reißerischen Motto "Beethoven für alle".

Ehrenwert

Das Ergebnis ist – nun ja, ehrenwert. Denn natürlich klingen die Damen und Herren des West-Eastern Divan Orchestra nicht so wie andere renommierte Klangkörper. Auch wenn das Niveau des Orchesters hoch ist, an die ganz großen Klangideale kann man nicht anknüpfen. So schwankt dieser Beethoven zwischen seltsamer Betulichkeit und rustikaler Kraftmeierei. Etliche Effekte und Passagen sind von Barenboim recht schön herausgearbeitet; andere Stellen bleiben unstrukturiert, ja energielos. Fazit: Dieser Beethoven ist durchaus anhörbar; ein großer Wurf klingt aber anders.

Umso schöner, dass man Barenboim (wieder unter dem Titel "Beethoven für alle", wieder Decca, drei CDs) auch als Pianist der Beethoven-Klavierkonzerte erleben kann. Und das mit der gewohnt exzellenten Staatskapelle Berlin. Hier ist Barenboim – er leitet das Orchester vom Klavier aus – ganz in seinem Element.

Barenboims Beethoven ist von der Interpretation her klassisch-ausgewogen, dennoch setzt der Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper Unter den Linden und Musikdirektor der Mailänder Scala viele Akzente. Barenboim findet zu einer sehr persönlichen, in vielen Momenten mitreißenden Beethoven-Wiedergabe. Die Staatskapelle erfüllt ihm dabei jeden noch so kleinen Wunsch. Dass Barenboim am Klavier über eine exzellente Technik verfügt, ist bekannt. Dass er diese aber nie vordergründig einsetzt, ist erfreulich. Beethoven, wie er sein soll, tatsächlich zu Herzen gehend.

KURIER-Wertung: **** von *****