Cate Blanchett in "Disclaimer": Wenn nichts so ist, wie es scheint
Von Alexandra Seibel
Vorsicht vor der Wahrheit! Sie könnte falsch sein.
Eine erfolgreiche Journalistin namens Catherine Ravenscroft steht am Zenit ihrer Karriere. Sie wird mit einem großen britischen Preis ausgezeichnet, ist zudem schön, elegant, reich und sichtlich glücklich verheiratet. Ihr Leben wirkt wie eine einzige Perfektion.
Dass nicht alles so ist, wie es den Anschein hat, zeigt sich zunächst in kleinen Haar-Rissen. Das Verhältnis zu ihrem einzigen Sohn ist seltsam angespannt; auch die Devotheit des Ehemannes hat etwas Künstliches. Und dann beginnt plötzlich ein Roman zu zirkulieren, der Catherine vor Schreck erbrechen lässt: Er erzählt von der Sex-Affäre einer verheirateten Frau mit einem deutlich jüngeren Mann in Italien, die mit dem Unfalltod des Burschen endete. Und bald ist sich die Welt darin einig: Die Frau ist niemand anderes als Catherine – und sie trägt Schuld am Tod des jungen Mannes.
Der mehrfache mexikanische Oscarpreisträger Alfonso Cuarón („Gravity“, „Roma“) hat in „Disclaimer“ (abrufbar auf Apple TV+) den Roman von Renée Knight zu einem siebenteiligen Psycho-Drama mit Thrillerfinale ausgewalzt und blendend besetzt: Toll wie immer, spielt Cate Blanchett die mondäne Catherine, deren Leben in Zeitlupe zerbricht. Als glanzloser Ehemann steht Sacha Baron Cohen im Schatten seiner Erfolgsfrau, während ein großartiger Kevin Kline als rachesuchender Wut-Opa zu Höchstform aufläuft.
Viele Bettszenen
Cuarón rekapituliert die fatalen Ereignisse aus unterschiedlichen Erzählperspektiven und verzahnt sie mit langatmigen Rückblenden. Besonders die Bettszenen zwischen Catherine (jung gespielt von Leila George) und dem Teenager inszeniert er im Kolportage-Stil des Softpornos, während im Hintergrund „Ti amo“ heult.
Am Ende ist nichts, wie es scheint, und Cuarón versteht es, seine aufgeblasene Geschichte noch einmal komplett herumzureißen. Visuell raffiniert und kulinarisch aufbereitet, liefert er pompöses, packendes Prestige-Fernsehen.