Kultur

Cannes: Keine Antwort auf die harten Fragen

Woody Allen hatte sich geweigert, seinen neuen Film "Irrational Man" im Wettbewerb in Cannes zu zeigen – und das, obwohl ihn Festivalchef Thierry Frémaux extra dazu eingeladen hatte. "Außer Konkurrenz" war ihm für seine schwarzhumorige Thriller-Komödie lieber. Und die läuft zumindest besser als befürchtet – immer vorausgesetzt, man ist bereit zu glauben, dass Joaquin Phoenix ein Philosophie-Professor ist, der ein Buch über Heidegger und den Faschismus schreibt.

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Aber nachdem Allens letzter Film "Magic in in the Moonlight" einen traurigen Tiefpunkt in der Karriere des New Yorker Stadtneurotikers dargestellt hatte, nimmt "Irrational Man" zumindest wieder etwas an Fahrt auf.

Inhaltlich knüpft der Film an Allens gefeiertes Thriller-Melodram "Match Point" an, ohne allerdings dessen intensive Qualität zu erreichen. Wie eine Spieluhr, deren Melodie man schon oft gehört hat, spulen sich die Ereignisse reibungslos ab. In der ersten Hälfte muss man viel pseudo-kluges Philosophie-Blabla über sich ergehen lassen, erst im zweiten Teil wird es zügiger.

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Perfekter Mord

Die alte Hitchcock-Frage, wie denn der perfekte Mord aussehen könnte, beschäftigt einen Philosophieprofessor mit Alkoholproblem. Joaquin Phoenix schiebt seinen Bierbauch samt Schweißfleck überzeugend depressiv über das Uni-Gelände und lässt sich weder von einer hübschen Studentin (Emma Stone) noch von einer sexhungrigen Kollegin (Parker Posey) aus der üblen Laune reißen. Erst die philosophische Überlegung, einen perfekten Mord auszuführen, pumpt ihm wieder Energie in die Lenden.

"Haben Sie selbst schon einmal daran gedacht, einen Menschen zu töten?", will ein geistreicher Journalist bei der Pressekonferenz in Cannes wissen.

"Gerade eben, als Sie mir diese Frage gestellt haben", schnalzt Allen in seinem blauen Karo-Hemd zurück.

Aber seien wir uns ehrlich: "Es gibt keine positive Antwort auf die wirklich harten Fragen des Lebens. Denn das Leben ist sinnlos, und am Ende ist alles vorbei. Die einzige Möglichkeit, das auszuhalten, ist die Ablenkung. Filmemachen ist für mich eine wundervolle Ablenkung. Und dann denke ich nicht über den Tod nach und darüber, dass ich irgendwann – in einer weit entfernten Zukunft – alt sein werde."

Das finden alle Anwesenden lustig, hindert aber einen Journalisten nicht davon ab, Allen freundlich daran zu erinnern, dass er heuer seinen 80er feiern würde. Das Alter – ein Anlass zu ernsthafteren Filmen? Keineswegs. "Mein Idol war Ingmar Bergman und gerade als junger Mensch wollte ich immer schwere Filme machen", sagt Woody Allen. "Aber dafür gab mir niemand Geld. Mein Talent war der Humor – und deswegen musste ich Komödien drehen."