Kultur

Burgtheater: "Romeo & Julia" in der Pubertät

Falls Sie die Buhrufe, die ein Empörter am Ende nach Leibeskräften dem Regisseur und der ganzen Welt entgegenbrüllte, bis zu Ihnen nach Hause gehört haben: Lassen Sie sich nichts einreden. Das ist eine starke, schöne, aufregende Inszenierung. Sie ist ungewöhnlich, aber sie hat Charme und Stil und Kraft. Was ist geschehen? David Böschs Remake seiner eigenen Inszenierung von Bochum (2004) zeigt Julia, Romeo und dessen Gang nicht, wie sonst üblich, als junge Erwachsene. Sondern als Kinder. Als Pubertierende, in deren Köpfen die Hormone summen und brummen. Und für die ist eben alles ein Spiel: Verlieben, Entlieben, Unterhaltungschemie einwerfen, Sex, Gewalt, das Leben. Und auch der Tod - wer kennt nicht die typischen, infantilen Todessehnsüchte von Pubertierenden? Und als dann etwas schief geht und die Halbstarken feststellen müssen, dass wirklich Blut herauskommt, wenn man mit dem Degen ein Loch in einen Menschen macht, reagieren sie mit ungläubigem Staunen. Böschs Sichtweise ist vom Text beglaubigt: Julia ist eben erst 13, als sie Romeo begegnet.

Ja

Um gleich die Urangst aller Regietheater-Traumatisierten anzusprechen: Die Antwort ist Ja. Es wird auf die Bühne gepinkelt (bzw. so getan, als ob). Es wird auch erbrochen. Und einige sehr derbe Scherze zum Thema Masturbation gibt es auch.

Man braucht aber nur einmal kurz in "Saturday Night Fever" hineinschauen, um zu merken: So geht es eben zu unter Jungburschen. Natürlich gibt es auch Unterschiede zur "echten" Welt. Romeo, Benvolio und Mercutio haben deutlich mehr Niveau als Molti, Spotzl, Eigi und Pichla. Kein Wunder, sie sind ja auch von Shakespeare und nicht von ATV.

Den ersten Teil des Stücks erzählt Bösch als Komödie mit viel Blödelei. Virtuos sind die Fechtszenen, die Klaus Figge eingerichtet hat und die an "Fluch der Karibik" erinnern. Als die Handlung dabei in die Tragödie kippt, wirkt der Bruch besonders brutal. Gerade war doch alles nur Spiel - und jetzt liegen Mercutio und Tybald da und sind tot.
Ganz besonders schön ist das Ende: Mit dem heiligen, zarten Ernst, den nur Kinder aufbringen, widmen sich Romeo und Julia dem letzten großen Spiel, dem Sterben.

Unbesiegbar jung

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Die schauspielerischen Leistungen sind wunderbar: Zwar übertreibt Yohanna Schwertfeger wieder einmal das Kleinmädchenhafte, dennoch ist diese Julia ihre bisher beste Leistung in Wien. Daniel Sträßer ist ein fantastischer, unbesiegbar junger Romeo. Fabian Krüger und André Meyer, die Mercutio und Benvolio als Rüpel anlegen; Ignaz Kirchner als widerlicher Vater Capulet; Petra Morzé als dessen versoffene Frau; Daniel Jesch als stotternder Tybald; Branko Samarovski als Mönch; Britta Furgler, Gerrit Jansen, Franz J. Csencsits: Alle toll. Volker Hintermeiers Wasserbassin-Bühnenbild sieht ein wenig aus wie die Mode von gestern, funktioniert aber. Ja, der Text ist drastisch gekürzt, die "Nachtigall" fehlt, und der "Komm, Nacht"-Monolog steht jetzt am Ende und bezieht sich auf den Tod. Na und? Es gab schon Tausende "Romeo und Julias", dieser Abend ist erfrischend anders.

Fazit: Das berühmteste Stück

Stück: DER Klassiker. Romeo und Julia entstammen verfeindeten Familien, ihre Liebe endet tragisch. Romeo hält Julia, die ihren Tod vortäuscht, um einer Zwangsheirat zu entgehen, tatsächlich für tot und nimmt Gift. Julia erwacht, sieht ihn und tötet sich.

Inszenierung: David Bösch war 26, als er den Stoff inszenierte - und zeigt die Hauptpersonen als halbe Kinder, die in wenigen Stunden ihr ganzes Leben spielen.

Spiel: Sehr gut in allen Rollen.

KURIER-Wertung: ***** (von *****)

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