Buntspecht veröffentlichen "Spring bevor du fällst“
Von Marco Weise
Die von Wien aus agierende Formation Buntspecht hat die Pandemie dazu genützt, sich einmal richtig fallen zu lassen. Es wurde Neues ausprobiert, Altes verworfen, Grenzen verschoben. Das hat mitunter dazu geführt, dass die elf neuen Lieder auf „Spring bevor du fällst“ noch experimentierfreudiger ausfallen als das, was man von der Band bisher gewohnt war. „Auch lyrisch ist es noch ein bisschen abstrakter und surrealistischer geworden“, wie Lukas Klein dem KURIER erzählt. Der Sänger spricht im Interview dann noch über Zweifel, Ekstase und falsch zitierte Sprichwörter.
KURIER: „Die Bühne ist ein Ort, wo jeglicher Zweifel für einen kurzen Moment abgelegt wird“, habt ihr in einem Interview gesagt. Wie groß war das Leid in der Pandemie – keine Shows, keine Chance, Zweifel abzulegen?
Lukas Klein: Es war stellenweise ein ordentlicher Kraftakt, die Leichtigkeit zu bewahren. So, als wollte uns die Pandemie auf eine Probe stellen. Klar gab es in dieser Phase Zweifel, aber wir hatten auch genügend Vertrauen, dass das alles wieder besser werden wird.
Wie sind die Songs auf dem neuen Album entstanden – zu sechst im Proberaum stelle ich mir im Lockdown etwas schwierig vor. Außerdem war das auch lange Zeit verboten. Wie ist man damit umgegangen? Hat man viel videotelefoniert?
Zuerst haben Florentin (Scheicher, Anm.) und ich für mehrere Wochen in seiner Einzimmerwohnung gearbeitet. Den restlichen Bandmitgliedern haben wir die Aufnahmen geschickt und jeder hat sich dann Gedanken dazu gemacht. Danach sind wir zusammen ins Schrebergartenhaus gezogen, um gemeinsam weiter an dem Album zu arbeiten. Das war für uns alle extrem wichtig, weil wir dadurch in der Pandemie den Boden unter den Füßen nicht verloren haben. Die Zeit im Gartenhaus hat einfach nur gutgetan. Tomaten gießen und Instrumente aufnehmen sind ein guter Zeitvertreib.
Wo wolltet Ihr auf dem neuen Album musikalisch hin?
Musikalisch ist es noch experimentierfreudiger geworden. Nicht nur soundmäßig, sondern auch instrumentatorisch haben wir mehr ausprobiert. Da sind unterschiedliche Bässe und Gitarren, Orgeln, Flöten, Bläser aller Art. Worauf wir halt grad Lust hatten. Auch lyrisch ist es noch ein bisschen abstrakter und surrealistischer geworden. Generell war es ein Privileg, sich die Freiheit nehmen zu können, fast fertige Songs noch einmal zu überdenken, über den Haufen zu werfen. Da kein Ende der Pandemie in Sicht war, hatten wir Zeit, uns richtig fallen zu lassen.
Die neuen Songs klingen tanzbarer, schwungvoller, drängen gerne mal nach vorne. In „Paradies“ hört man sogar eine Disco-Kuhglocke. Hatte man diesmal mehr Lust auf Tanzen?
Lustig, dass du das Album als tanzbar wahrnimmst. Gefühlt war es für uns sogar eher ein Schritt zurück in ruhigere Stimmungen. Aber die Nummern, die schwungvoll sind, haben wir auf jeden Fall dringend nötig gehabt. Das war ein bisschen unsere Dosis Adrenalin und Ekstase – direkt in die Beine.
„Dort, wo die Realität ihre Grenzen erreicht, setzen Buntspecht an“, steht im Pressetext. Wie kommt man an diese Grenze? Und muss man da irgendwie nachhelfen?
Wichtig ist, die Dinge nicht ganz so ernst zu nehmen. Vor allem sich selbst. Generell sind wir noch recht jung, da ist man hungrig, neugierig, verspielt. Die Bandgemeinschaft ist dann auch ein sicherer Ort, an dem man viel zulassen und ausprobieren, sich treiben lassen kann. Nachhelfen im Sinne von Rausch bzw. Drogen spielt dabei aber eine untergeordnete Rolle. Sicher ist es ab und zu spannend, andere Zustände zu durchlaufen, aber das funktioniert nüchtern viel tiefer und wahrer. Jede Stimmung führt dich an eine andere Grenze: Wut und Trauer sind dabei genauso wichtig wie Glück und Lebenslust.
„Im Streichelzoo der Smartphones wünsch ich, dass du mich berührst…“, heißt es im Song „Paradies“. Ein Abgesang auf Tinder und andere Mobile-Dating-Apps?
Ich glaube, niemand von uns hat Tinder auf seinem Smartphone installiert. Aber so genau weiß ich das jetzt auch nicht (lacht). Wir besingen damit auf jeden Fall jedes dieser Fake-Paradiese, die einem das Internet so anbietet.
Was will einem der Titel ("Spring bevor du fällst“) des Albums sagen?
Florentin (Scheicher, Anm.) ist gut dabei, Sprichwörter falsch zu sagen. Wie zum Beispiel „Wo gehobelt wird, muss man auch wischen“. Oder: „Der hat mich übers Ohr gezogen“. „Spring bevor du fällst“ ist als Scherz Ende 2019 aufgekommen. Wir fanden das immer witzig, weil das eine blöde belehrende Seite hat und gleichzeitig Nonsens ist. Dann wiederum hat es auch etwas Schönes, weil der Sprung nicht verrät, wohin oder aus welcher Intention heraus er stattfindet. Und der Fall hat etwas Leichtes an sich, obwohl er auch Angst macht, weil man nicht weiß, wohin man fällt. Jeder fällt irgendwann. Also sollte man es selbst in die Hand nehmen und dabei das Beste draus machen: Richtig viel Anlauf nehmen und mit dem Kopf voraus rein ins Unbekannte. Rein ins Leben.
Live-Termine in Österreich:
15. 6. - Wien/Konzerthaus
11. 7. - Sommerzeit Festival / Fels am Wagram
14. 8. - Picture On / Bildein
19. 8. - Weinsommer / Gumpoldskirchen
20. 8. - Jazzfest / Saalfelden
11. 9. - Wachau Arena / Melk
04.11. - Graz/Dom im Berg
24.11. - Salzburg/Rockhouse
26.11. - Dornbirn/Spielboden
20. 12 - Wien/Arena