Kultur

Bücherkrise Teil 2: Der Faktor Glamour

Lesen ist ein einsames Tun. Es fehlt der Glamourfaktor. "Andere Kunstformen lassen sich besser verkaufen." So beschreibt Gerhard Ruiss, Schriftsteller und Geschäftsführer der IG AutorInnen, die Schwierigkeit der Literatur. "Die Leute halten es mit sich allein nicht mehr aus."

Verlage fahren ihre Titelzahl zurück, stehen vor Vertriebsproblemen. Der Onlinehandel legt zu, bedrängt den Buchhandel. Dabei haben die größeren Buchhandlungen größere Schwierigkeiten: Zu große Verkaufsflächen werden zum Problem. Besser geht es da schon den Spezialbuchhandlungen.

Ruiss: "Lesen gilt als antiquiertes Bildungsangebot"

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Ruiss sieht im Erfolg des Onlinehandels einen neuen Aberglauben: "Man glaubt, dass man alles schneller bekommt. Man wird es über kurz oder lang als Verlust begreifen, nicht mehr den Buchhändler seines Vertrauens zu haben. Die Vermittlungstätigkeit lässt sich nicht durch zielgenaue Bewerbung, wie auf Amazon, ersetzen."

Anna Jeller, die seit 1985 in der Wiener Margaretenstraße eine Buchhandlung betreibt, sagt selbstbewusst: "Amazon ist ein Logistiker und kann eine Buchhandlung nicht ersetzten. Jede Buchhandlung hat die Kunden, die sie verdient." Wie bei Brigitte Salanda, deren Buchhandlung a.punkt bei der Fischerstiege zur Institution geworden ist. Bernhard und Qualtinger waren hier Kunden. Beratung ist alles – Coelho kann sie bestellen, aber es gibt Bücher, die haben da zu sein: Jelinek, Roland Barthes.

Die Schere zwischen den Großen und dem neuen Fachbuchhandel hat sich auseinanderentwickelt, ähnlich wie bei den Verlagen, wo es Masse und Qualität boomen. Der Mittelbau werde wegbrechen, sagen Branchenkenner.

Österreichischen Verlagen, sagt Ruiss, geht es ökonomisch heute schlechter, inhaltlich jedoch besser als je zuvor. "Sie machen hervorragende Bücher, haben inhaltlich viel Know-how, aber Schwierigkeiten, diese Bücher abzusetzen. Das Lesen hat im Image gelitten. "

Das gute Buch – ein verzopftes Bildungsideal aus dem 50ern. "Lesen gilt als antiquiertes Bildungsangebot," klagt Ruiss. Dazu kommt: Leser sind Individualisten. Und somit weniger berechenbare Konsumenten – für Kultursponsoring also wenig geeignet.

Papier-Ablöse: eBooks

Der Strukturwandel auf dem Buchmarkt geht ungebremst voran. Das eBook soll zum Hoffnungsträger werden. Doch ein paar Gewinner gibt es immer, egal, ob auf Papier oder am eReader. Donna Leon, etwa. Jede neue Venedig-Ermittlung beherrscht gleich nach ihrem Erscheinen wochenlang die Bestsellerlisten.

Abgelöst werden könnte sie von der Erotikroman-Trilogie "Shades Of Grey", deren erster Teil nun auf Deutsch erschienen ist. Von Kritikern als Hausfrauenporno verspottet, hatte die Sex-Trilogie international viel Erfolg. Sie besetzte wochenlang Platz eins bis drei der New York Times-Bestsellerliste. Gerade bei den elektronischen Büchern, die ohne verräterisches Cover auskommen, werden Rekorde gemeldet. E. L. James ist die erste Autorin, deren Trilogiebände sich jeweils mehr als ­ 100 000 Mal in einer Woche verkauften. Dass die Einschätzung der Feministin Alice Schwarzer, die den Erotikroman als "eher emanzipatorisch" verteidigte, damit zu tun hat, ist eher unwahrscheinlich. Nicht einmal "Harry Potter" oder der "Da Vinci Code" konnten bei diesen Verkaufszahlen mit.

Auch bei eBook darf nicht alles erscheinen

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Doch nicht alles, was Porno ist, darf auch auf eBook erscheinen, zumindest nicht bei Apple: Der von Ela Angerer im Czernin-Verlag herausgegebene Band "Porno", in dem Autoren wie Thomas Glavinic, Robert Palfrader und Julya Rabinowich über Liebe und Sex in Zeiten von Postemanzipation und Konsumterror schreiben, wird im iBookstore von Apple nicht veröffentlicht. Das Buch werde als zu explizit betrachtet und wurde daher nicht freigeschaltet, ließ der Czernin-Verlag via Facebook wissen.

Dafür ist nun ausgerechnet Literaturphantom Thomas Pynchon, von dem es seit fast sechzig Jahren keine neuen Fotos gibt, elektronisch zu haben. Schon vor seinem ersten Roman "V." (1963) tauchte der öffentlichkeitsscheue Literat, der bei einem Gastauftritt 2004 bei den "Simpsons" mit Papiersack über dem Kopf erschien, unter. Was Pynchon dazu sagt, dass es ihn ab jetzt zum Runterladen gibt, bleibt ein Geheimnis. Pynchon gibt keine Interviews.

Was Ray Bradbury, der Anfang Juni verstorbene Autor der "Mars-Chroniken", von eBooks hielt, ist eindeutig: Der New York Times sagte er 2009, elektronische Bücher "riechen nach verbranntem Benzin."
Seine Bücher sind nun trotzdem in elektronischer Form zu haben. Auch das Bücherverbrennungsepos "Fahrenheit 451".

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