Kultur

Die Kulturnation gegen das vielköpfige Internet-Monster

Die ganze Welt, so scheint es, bestellt Bücher bei Amazon. Die ganze Welt? Nein.

In Frankreich, dem wahrscheinlich einzigen Land der Welt, in dem man selbst für internationale Begriffe wie "Computer" ein eigenes Wort hat, wird aufrecht gegen die befürchtete Vereinnahmung der Buchbranche durch den US-Handelsriesen gekämpft. Schließlich hat man es ja auch im Filmbereich geschafft, Hollywood auf die Ränge zu verbannen.

Und bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen mit den USA droht Frankreich seit Langem mit Veto, sollte es keine Kulturquoten und Ausnahmen für die Filmindustrie geben.

Doch so sehr man über dieses unzeitgemäß anmutende Beharren auf kulturellen Eigenheiten schmunzeln kann: Frankreich sucht, in seinem beharrlichen Kampf gegen den gefühlten US-Einfluss auf die Kultur, eine Antwort auf eine Frage, die sich auch das restliche Europa zunehmend stellen dürfte. Denn die europäische Kultur lebt in Strukturen, die vor allzu freiem Handel geschützt sind. Die Frage ist, wie bzw. wie weit dieser Schutz aufrecht erhalten werden kann und soll. Das zeigt sich derzeit im Buchhandel, und ein Gegner wurde rasch ausgemacht: Den französischen Buchhändlern ist ein Etappensieg gegen den Online-Riesen Amazon gelungen. Das Parlament verabschiedete nun das im Oktober auf den Weg gebrachte Gesetz, das es Versandhändlern untersagt, preisreduzierte Bücher kostenlos zu verschicken. Das ist direkt gegen Amazon gerichtet. Ende der vergangenen Woche kam dann der zweite Dämpfer: Weil der US-Konzern in Luxemburg einen Sitz hat, zahlt er kaum Steuern in Frankreich. Jetzt prüft die EU-Kommission, ob Amazon gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstößt.

Diskriminierung

Der Konflikt um das französische "Anti-Amazon-Gesetz" schwelt sein langem. Der Online-Händler bezeichnet es als "diskriminierend" und "schädlich für die Kaufkraft der Franzosen". Tatsächlich ist das Gesetz auch in Frankreich umstritten.

Letztlich geht es hier um die Rettung der Buchpreisbindung, die dem Buch als schützenswertes Kulturgut in Europa eine Sonderstellung einräumt. Hier war Frankreich Vorreiter. Einerseits hat die "Grande Nation" Tradition als störrische Bewahrerin europäischer Kulturwerte. Und kaum anderswo ist der kulturelle Antiamerikanismus so ausgeprägt wie in Frankreich (wo er so weit geht, dass man die korrekte Aussprache amerikanischer Namen verweigert). Andererseits fragen sich viele, ob das neue Anti-Amazon-Gesetz auch den richtigen, beziehungsweise die richtige Flanke des Gegners trifft.

Denn kaum hat man dem vielköpfigen Freihandel-Internet-Monster einen Kopf abgeschnitten, wächst ein neuer nach: Amazon plant nun einen eigenen Verlag. Zudem hat der Konzern bereits einen Weg gefunden, das Gesetz zu umgehen: Statt gratis liefert er nun um einen Cent. Wer in einem Dorf lebt, wo es – auch vor Amazon – keine Buchhandlung gibt, der wird den Cent gerne zahlen. Außerdem hat Amazon noch viele Pfeile im Köcher: Man denke nur an den Konflikt um die Auslieferung von Büchern der Verlagsgruppe Bonnier (Ullstein, Piper, Carlsen): Amazon habe diese zurückgehalten, um höhere Rabatte beim Einkauf von eBooks zu erzwingen, klagen die Verleger.

In Österreich macht der Online-Handel nur 20 Prozent des Gesamtumsatzes im Buchhandel aus. Und die Daten des deutschen Buchhandels belegen, dass der traditionelle Handel 2013 besser abgeschnitten hat als der Online-Markt.