Elliot Page: Ungezügelt, aber sicher
Von Barbara Beer
Zur Premiere von „Juno“ wollte sie Anzug tragen. Man zwang sie in Abendrobe und High Heels. Ellen Page wusste da längst, dass sie eigentlich Elliot war. Hollywood und der Rest der Welt wollten das 2007 nicht wissen. „Juno“ war ein Riesen-Erfolg, der Page eine Oscar-Nominierung als „Beste Schauspielerin“ einbrachte. Außerdem Depressionen und Gürtelrose, ausgelöst durch Geschlechtsdysphorie, den Stress, wenn die angeborene Geschlechtsidentität nicht mit dem zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt.
Das diese Woche erschienene Buch „Pageboy“ erzählt vom Kampf gegen die Selbstverleugnung: davon, wie aus der Schauspielerin Ellen Page der Schauspieler Elliot Page wurde. „Pageboy“ ist ein sogenanntes „Memoir“. Direkt mit „Memoiren“ übersetzten lässt sich das nicht. Vielmehr handelt es sich um eine Art erzählendes Sachbuch. In letzter Zeit ist das autofiktionale Schreiben wieder sehr in Mode. Was unterscheidet die beiden Gattungen? Dichtung und Wahrheit vermengen wohl beide, vielleicht enthält das Memoir etwas weniger Dichtung. Das ist zumindest der Plan – auch von „Pageboy“.
Schon als Kind bevorzugt Ellen „Jungsspielzeug“, in der Schule wird das untypische Mädchen gemobbt, die Großmutter sorgt sich, das Kind könnte lesbisch sein, als Teenie wird sie dann auch als „Schwuchtel“ beschimpft. „Seit ich denken konnte, wurde mir vermittelt, ich wäre fehl am Platz.“ Mit 15 die Online-Suche: „Woran erkenne ich, dass ich queer bin?“ Die Antworten sind unbefriedigend. Page hungert, ritzt sich, gibt sich die Kante. Mit 16 tanzt Ellen bei einem Konzert der kanadischen Sängerin Peaches, einer Heldin der Queer-Community. Die erste Begegnung mit dem Anderssein, in einer Menge von ausgelassenen Leuten, die genau so waren. „Fühlte sich ziemlich gut an“.
Berührend und authentisch berichtet Page vom Weg zu sich selbst. Sprachlich flapsig-jugendlich, stellenweise fragwürdig übersetzt: „Zuerst griff er meine Persönlichkeit an“. Page verwendet durchgehend Gendersternchen. Auch darüber hinaus ist hier alles sehr korrekt. „Wir hatten ungezügelten, aber sicheren Sex ...“
Den größten Teil der Erzählung nimmt die Unmöglichkeit des Coming-outs in der Filmbranche ein. Fremdscham setzt ein, wenn man liest, was manche Journalisten von sich geben. Wie etwa der Erfolg von „Juno“ mit Spekulationen über die sexuelle Orientierung der damals Zwanzigjährigen debattiert wurde. Insgesamt ist „Pageboy“ eine bewegende Coming-of-Age-Geschichte – stellenweise mit Banalitäten unterfüttert. Manche sind auch ganz praktisch. Man erfährt, wie man Sauerkraut selber macht.