Kultur

Bruno Gironcoli: Im Mittelpunkt die Menschmaschine

Das Gefühl, dass das Werk von Bruno Gironcoli perfekt in unsere Zeit passt, ist nicht abzuschütteln: Wir durchleben schließlich eine Epoche, in dem technische Entwicklungen zugleich Anlass für extremen Optimismus und Pessimismus geben. Die Idee der technischen Überwindung der Sterblichkeit (Stichwort "Posthumanismus") liegt in der Luft, ebenso die latente Angst vor einem Überhandnehmen der Maschinen: Sie könnten uns aussaugen wie in den "Matrix"-Filmen oder wie in Gironcolis silbrigen Skulpturen, in denen Embryonen öfters an riesenhafte Maschinen angekoppelt scheinen.

Relevant einst und jetzt

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Was der 2010 verstorbene Künstler zu unserer Gegenwart gesagt hätte und wie er sein Werk dazu in Beziehung gesetzt hätte, muss Spekulation bleiben. Nichtsdestotrotz ist die Werkschau "In der Arbeit schüchtern bleiben", die das mumok bis 27. 5. zeigt, enorm zeitgerecht und relevant: Zum einen erlaubt sie, die von aktuellen Entwicklungen befeuerten Assoziationsketten mit Ideen abzugleichen, die ihre Wurzeln in Utopie-Wellen der 1960er und 1980er Jahre haben. Zum anderen bietet sie Ansätze, das Werk Gironcolis, das zwar stets fasziniert, aber doch oft genug ratlos zurücklässt, zu verstehen.

Vor- und Nachdenken

Die von Manuela Ammer kuratierte Schau verspricht einen Fokus auf Gironcolis Arbeiten auf Papier, zeigt aber deutlich mehr: Die großen, malerischen Blätter, deren Relevanz der Künstler zeitlebens oft herunterspielte, enthalten Visionen, die das Skulpturale manchmal vorbereiten, es aber oft auch weiterdenken. Die gekonnte Gegenüberstellung von zwei- und dreidimensionalen Werken in der Schau erlaubt es, diesen Ideen lustvoll nachzuspüren und Gironcolis Werkentwicklung zu verfolgen.

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Zeichnungen der frühen 1960er Jahre, die den Auftakt der Schau bilden, erinnern bisweilen an das Vorbild Alberto Giacometti – sie verraten aber auch Gironcolis Versuche, den menschlichen Körper als eine Ansammlung von mehr oder weniger amorphen Dingen zu begreifen. Diese Grenze wird in der Folge immer weiter verwischt: Die Köpfe, die Gironcoli bald aus seinem Signatur-Material, dem metallisch bemalten Polyester, schuf, könnten auch Telefonhörer sein, die oft wiederkehrende, von Samuel Beckett inspirierte Figur "Murphy" gleicht einem Raumschiff.

In den 1960er Jahren wurde Gironcolis Formensprache zeitgleich zur Pop Art rezipiert, das Plastik der Konsumkultur galt dem Künstler als Inspiration. Ähnlich wie bei Walter Pichler, mit dem Gironcoli 1968 sein Wien-Debüt in der Schau "Super-Design" gab, hatte der Bezug zu dieser Gegenwart aber etwas Abgründiges: Die Objekte und Gestelle in Zeichnungen und Installationen erscheinen gleichermaßen als Prothesen und als Folterwerkzeuge, menschliche Körper häuten sich oder verschmelzen mit Objekten.

Popkultur in Rufweite

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Diese Ambivalenz hat Parallelen in der Populärkultur vom Cyborg- und Superheldentum bis zum "neuen Fleisch" in den Filmen von David Cronenberg. Doch auch wenn Science-Fiction-Analogien bei Gironcoli rasch zur Hand sind, ist die Formensprache eine andere. Nicht selten werden in den Blättern bildhauerische Fragen wie das Abgießen oder das Kuppeln von Röhren zum Thema, es geht öfters um Formen und Ornamente.

Am Ende der Schau ist Gironcolis Mysterium keineswegs gelüftet, doch das Vokabular erscheint vertrauter. Im Spätwerk vervielfachte und modulierte der Künstler Motive fast so, wie es der späte Rodin bei seinem "Höllentor" tat: Nicht nur in den riesigen Skulpturen, die am Eingangslevel des mumok und im Außenraum stehen, auch in den Papierwerken entfaltet sich ein System aus Embryonen, Tierwesen und Gerätschaften, das Unbehagen und Faszination gekonnt in Balance hält: Ein Must-See.

INFO

Die Ausstellung im mumok läuft bis 27.5. Parallel sind Gironcoli-Werke in Wien in der Galerie bei der Albertina/Zetter (bis 3.3.), der Galerie Krinzinger (bis 10.3.) und der Galerie Thoman (bis 26.5.) zu sehen. Im "Gironcoli-Kristall" in der Strabag-Zentrale (1220 Wien) und im Schloss Herberstein/Stmk sind permanent Großskulpturen postiert.