Bruno Gironcoli: Im Mittelpunkt die Menschmaschine

Bruno Gironcoli: Entwurf zur Veränderung von Säule mit Totenkopf, 1971
Das Museum erleuchtet die Welt von Bruno Gironcoli (1936 – 2010) durch Gezeichnetes und Gemaltes.

Das Gefühl, dass das Werk von Bruno Gironcoli perfekt in unsere Zeit passt, ist nicht abzuschütteln: Wir durchleben schließlich eine Epoche, in dem technische Entwicklungen zugleich Anlass für extremen Optimismus und Pessimismus geben. Die Idee der technischen Überwindung der Sterblichkeit (Stichwort "Posthumanismus") liegt in der Luft, ebenso die latente Angst vor einem Überhandnehmen der Maschinen: Sie könnten uns aussaugen wie in den "Matrix"-Filmen oder wie in Gironcolis silbrigen Skulpturen, in denen Embryonen öfters an riesenhafte Maschinen angekoppelt scheinen.

Relevant einst und jetzt

Bruno Gironcoli: Im Mittelpunkt die Menschmaschine
01_Krinzinger_Gironcoli_Schabus.jpg Bruno Gironcoli, Hans Schabus, NÄCHSTE TÜRE LÄUTEN!, 2018, photo Tamara Rametsteiner, courtesy Hans Schabus, Bruno Gironcoli Estate, Vienna and Galerie Krinzinger

Was der 2010 verstorbene Künstler zu unserer Gegenwart gesagt hätte und wie er sein Werk dazu in Beziehung gesetzt hätte, muss Spekulation bleiben. Nichtsdestotrotz ist die Werkschau "In der Arbeit schüchtern bleiben", die das mumok bis 27. 5. zeigt, enorm zeitgerecht und relevant: Zum einen erlaubt sie, die von aktuellen Entwicklungen befeuerten Assoziationsketten mit Ideen abzugleichen, die ihre Wurzeln in Utopie-Wellen der 1960er und 1980er Jahre haben. Zum anderen bietet sie Ansätze, das Werk Gironcolis, das zwar stets fasziniert, aber doch oft genug ratlos zurücklässt, zu verstehen.

Vor- und Nachdenken

Die von Manuela Ammer kuratierte Schau verspricht einen Fokus auf Gironcolis Arbeiten auf Papier, zeigt aber deutlich mehr: Die großen, malerischen Blätter, deren Relevanz der Künstler zeitlebens oft herunterspielte, enthalten Visionen, die das Skulpturale manchmal vorbereiten, es aber oft auch weiterdenken. Die gekonnte Gegenüberstellung von zwei- und dreidimensionalen Werken in der Schau erlaubt es, diesen Ideen lustvoll nachzuspüren und Gironcolis Werkentwicklung zu verfolgen.

Bruno Gironcoli: Im Mittelpunkt die Menschmaschine
BILDMATERIAL PRESSE / PRESS IMAGES Bruno Gironcoli In der Arbeit schüchtern bleiben / Shy at Work 3. Februar bis 27. Mai 2018 / February 3 to May 27, 2018 01 Bruno Gironcoli Ohne Titel , ca. 1964 (Untitled) Metallpulverfarbe, Tusche und Gouache auf Papier / Metal-powder color, india ink and gouache on paper 121,5 x 76,5 cm Privatsammlung, Wien / Private collection, Vienna © BRUNO GIRONCOLI WERK VERWALTUNG GMBH / ESTATE BRUNO GIRONCOLI / GESCHÄFTSFÜHRERIN CHRISTINE GIRONCOLI 02 Bruno Gironcoli Die mißlungene Zimmerwolke , 1970 (The failed living-room cloud) Metallpulverfarbe, Tusche, Gouache, Buntstift, Bleistift, Klebeband auf karierten Linienspiegeln 95 x 152 cm mumok Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, erworben / acquired in 1970 Photo: mumok © BRUNO GIRONCOLI WERK VERWALTUNG GMBH / ESTATE BRUNO GIRONCOLI / GESCHÄFTSFÜHRERIN CHRISTINE GIRONCOLI 03 Bruno Gironcoli Herz , 1967 (Heart) Metallpulverfarbe, Tusche, Gouache, Bleistift und Buntstift auf karierten Linienspiegeln 72,5 x 55 cm mumok Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, erworben / acquired in 1970 Photo: mumok © BRUNO GIRONCOLI WERK VERWALTUNG GMBH / ESTATE BRUNO GIRONCOLI / GESCHÄFTSFÜHRERIN CHRISTINE GIRONCOLI

Zeichnungen der frühen 1960er Jahre, die den Auftakt der Schau bilden, erinnern bisweilen an das Vorbild Alberto Giacometti – sie verraten aber auch Gironcolis Versuche, den menschlichen Körper als eine Ansammlung von mehr oder weniger amorphen Dingen zu begreifen. Diese Grenze wird in der Folge immer weiter verwischt: Die Köpfe, die Gironcoli bald aus seinem Signatur-Material, dem metallisch bemalten Polyester, schuf, könnten auch Telefonhörer sein, die oft wiederkehrende, von Samuel Beckett inspirierte Figur "Murphy" gleicht einem Raumschiff.

In den 1960er Jahren wurde Gironcolis Formensprache zeitgleich zur Pop Art rezipiert, das Plastik der Konsumkultur galt dem Künstler als Inspiration. Ähnlich wie bei Walter Pichler, mit dem Gironcoli 1968 sein Wien-Debüt in der Schau "Super-Design" gab, hatte der Bezug zu dieser Gegenwart aber etwas Abgründiges: Die Objekte und Gestelle in Zeichnungen und Installationen erscheinen gleichermaßen als Prothesen und als Folterwerkzeuge, menschliche Körper häuten sich oder verschmelzen mit Objekten.

Popkultur in Rufweite

Bruno Gironcoli: Im Mittelpunkt die Menschmaschine
Bruno Gironcoli Turnstunde , 1970 (Gym Lesson) Gouache, Tusche und Bleistift auf Papier 62,3 x 89,7 cm mumok Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Leihgabe der Artothek des Bundes / On loan from the Artothek des Bundes seit / since, 1976 Photo: mumok © BRUNO GIRONCOLI WERK VERWALTUNG GMBH / ESTATE BRUNO GIRONCOLI / GESCHÄFTSFÜHRERIN CHRISTINE GIRONCOLI

Diese Ambivalenz hat Parallelen in der Populärkultur vom Cyborg- und Superheldentum bis zum "neuen Fleisch" in den Filmen von David Cronenberg. Doch auch wenn Science-Fiction-Analogien bei Gironcoli rasch zur Hand sind, ist die Formensprache eine andere. Nicht selten werden in den Blättern bildhauerische Fragen wie das Abgießen oder das Kuppeln von Röhren zum Thema, es geht öfters um Formen und Ornamente.

Am Ende der Schau ist Gironcolis Mysterium keineswegs gelüftet, doch das Vokabular erscheint vertrauter. Im Spätwerk vervielfachte und modulierte der Künstler Motive fast so, wie es der späte Rodin bei seinem "Höllentor" tat: Nicht nur in den riesigen Skulpturen, die am Eingangslevel des mumok und im Außenraum stehen, auch in den Papierwerken entfaltet sich ein System aus Embryonen, Tierwesen und Gerätschaften, das Unbehagen und Faszination gekonnt in Balance hält: Ein Must-See.

INFO

Die Ausstellung im mumok läuft bis 27.5. Parallel sind Gironcoli-Werke in Wien in der Galerie bei der Albertina/Zetter (bis 3.3.), der Galerie Krinzinger (bis 10.3.) und der Galerie Thoman (bis 26.5.) zu sehen. Im "Gironcoli-Kristall" in der Strabag-Zentrale (1220 Wien) und im Schloss Herberstein/Stmk sind permanent Großskulpturen postiert.

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