Kultur

Der Superheld und sein Side-Kick

Edward Norton ist immer gut, aber in "Birdman" ist er großartig. In der superben Superhelden-Satire von Alejandro González Iñárritu (Kinostart: Freitag) funkelt sein komisches Talent: An der Seite von Michael Keaton als Ex-Superheld "Birdman", strahlt Norton als selbstherrlicher Theaterschauspieler Mike Shiner. Während "Birdman" versucht, sein Superhelden-Image abzuwerfen und am Broadway ein seriöses Theaterstück zu inszenieren, macht ihm Shiner – der Star seiner Aufführung – das Leben schwer.

Hier finden Sie unser Special zur Oscar-Verleihung 2015

KURIER: Mr. Norton, Sie spielen einen arroganten Theaterschauspieler namens Mike Shiner, der gerne allen anderen erklärt, was sie für Idioten sind. Hatten Sie ein Vorbild?

Edward Norton: Das klingt jetzt vielleicht wie ein Witz, aber tatsächlich war Alejandro (González Iñárritu, der Regisseur, Anm.) mein Vorbild. Ich trage seine Kleidung, seinen Schal, seine Sandinista-Jacke und ich glaube, das alles, was ich in meiner Rolle sage, ziemlich genau Alejandros eigener Meinung entspricht. Und sind wir uns ehrlich, Mike Shiner ist ein Arsch, aber in manchen Dingen hat er einfach Recht. Schauen Sie sich doch "Birdman", die Figur, die Michael Keaton so hervorragend spielt, an: Es ist ihm einfach zu wichtig, was alle anderen über ihn denken. Er sucht andauernd die Bestätigung von außen und höhlt sich damit selbst aus. Shiner sagt ihm einfach die Wahrheit: Dass er den Mut haben muss, seinen Weg zu finden. Dass er sich nicht davon paralysieren lassen darf, was die Kritiker sagen. Lauter wahre Dinge eben.

Wie wichtig ist Anerkennung?

Wenn Sie von Beruf Schauspieler sind, dann brauchen Sie natürlich die Anerkennung. Aber mit der Zeit lernt man auch, reifer mit diesem Druck umzugehen und mehr zu riskieren. Und manchmal mögen die Leute etwas nicht, und es ist trotzdem interessant. Denken Sie an "Fightclub": Der Film hatte seine Premiere in Venedig und bekam ganz furchtbare Kritiken. Die Leute hassten "Fightclub". Da drehte sich Brad Pitt zu mir um und sagte: "Das ist einer der besten Filme, die wir je gemacht haben." Und er hatte recht. Der Film sickerte langsam ein und wurde dann ein wichtiger Teil unserer Kultur – obwohl ihn zuerst niemand mochte.

Sie selbst spielen viel Theater und kennen sich bestens aus. Aber Iñárritu hat damit ja eigentlich nichts zu tun. Hat er das Milieu gut getroffen?

Ich kann immer noch nicht glauben, dass ein mexikanischer Regisseur, der nicht selbst aus der New Yorker Theaterszene kommt, so ein unglaublich treffendes Drehbuch schreiben konnte. Als ich es das erste Mal las, war ich hin- und hergerissen. Es stimmt alles – von den verwinkelten Gängen hinter der Bühne bis hin zu den schmierigen Umkleiden. Ich selbst spiele schon mein ganzes Leben Theater – seit ich fünf Jahre alt bin, um genau zu sein. Ich habe immer noch eine Theatergruppe in New York und wahrscheinlich mehr Zeit beim Theater als beim Film verbracht. Theaterschauspieler lieben Filme über das Theater. "Birdman" wird ein Meilenstein für die Broadway-Szene.

Was macht die Figur von "Birdman" so attraktiv?

Michael Keaton spielt diesen Mann, der über die Jahre sein Selbstbild verloren hat. Ich glaube, damit können sich viele Leute auf die eine oder andere Weise identifizieren. Irgendwann wacht man auf und bemerkt, dass man nicht die Person geworden ist, die man werden wollte. Und dann fragt man sich, wie man eigentlich da steht, in der Welt, und wie man von anderen gesehen wird.

Der Film besteht aus ganz vielen langen Einstellungen. Ist das nicht stressig für einen Schauspieler? Man macht nur einen Fehler, und die Arbeit aller anderen ist auch gleich ruiniert.

Also, mir macht das großen Spaß und wenn es mal nicht klappt, stirbt auch niemand. Bei normalen Drehs ist es ja so, dass jeder schaut, wann er dran kommt– egal, ob das jetzt der Schauspieler oder der Tontechniker ist. Und wenn man grad nicht dran ist, macht man halt was anderes. Aber bei diesen langen Einstellungen waren immer alle gleichzeitig völlig konzentriert. Das erzeugt einen guten Team-Geist.

Es gibt diesen Scherz in "Birdman", wo sich der Theaterregisseur darüber beschwert, dass es keine freien Schauspieler gibt – weil alle gerade an einer Superhelden-Fortsetzung drehen. Wie stehen Sie dazu?

Ich finde den Witz recht gelungen. Aber Superhelden-Filme haben ja auch ihren Reiz für Schauspieler: Man verdient bei Weitem mehr, als wenn man in einem Wes-Anderson-Film spielt, hat mit einem Schlag ein weltweites Publikum ...

Sie selbst waren ja euch einmal Superheld – "Der unglaubliche Hulk". Wie war das für Sie?

Es war wirklich lustig, sehr stark von den Spezialeffekten getrieben und einfach eine ganz andere Form des Arbeitens. Ich selbst liebe Comics und will dieses Kino gar nicht abwerten. Aber was mich betrifft, habe ich fürs Erste genug davon.

Einen Monat vor der Oscar-Verleihung hat "Birdman" einmal mehr neuen Aufschwung bekommen. Bei der Preisverleihung des US-Produzentenverbands PGA (Producers Guild of America) am Samstagabend in Los Angeles hat die Hollywood-Satire von Regisseur Alejandro Gonzalez Inarritu den Hauptpreis erhalten und damit Filme wie "Boyhood" und "The Grand Budapest Hotel" ausgestochen.

Die Anerkennung kommt inmitten einer besonders heiß umkämpften Filmpreissaison, gehen "Birdman" und "The Grand Budapest Hotel" von Wes Anderson mit je neun Nominierungen zwar als Favoriten ins Rennen um die am 22. Februar vergebenen Oscars, generierte Richard Linklaters Zwölfjahresprojekt "Boyhood" zuletzt aber erhöhte Aufmerksamkeit. In den vergangenen Jahren konnte der PGA-Sieger auch stets den Oscar in der Königskategorie "Bester Film" mit nach Hause nehmen.

Einflussreich

Die Hollywood-Produzenten gelten nicht zuletzt als sehr einflussreich im Oscar-Voting, stellen sie neben den Schauspielern, die am Sonntag, die Screen Actors Guild Awards vergeben, doch die größte Gruppe an Stimmberechtigten in der Academy of Motion Picture Arts and Sciences. Der Bauklotz-Blockbuster "The Lego Movie", den die rund 4.000 Filmproduzenten am Samstag zum besten Animationsfilm kürten, ist indes in dieser Kategorie für keinen Oscar nominiert.

"Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)" mit Michael Keaton als ehemaliger Superhelden-Darsteller, der Ruhm und Anerkennung von einst mit einem eigenen Broadway-Stück wiederherstellen will, startet am 30. Jänner in den österreichischen Kinos.