Kultur

Pereira ließ die Puppen tanzen

Einen eigens für Servus TV produzierten Opernabend gibt es noch: Mozarts „Entführung aus dem Serail“ am Montag. Dann eine konzertante Aufführung von Verdis „Nabucco“, immerhin von Riccardo Muti dirigiert (29. 8.). Und freilich zahlreiche hochkarätige Konzerte.

Dennoch ist es schon an der Zeit, die Salzburger Festspiele 2013, die aufwendigsten der Geschichte, musikalisch zu bilanzieren – man weiß ja bei diesem ausufernden Programm ohnehin nicht mehr genau, wann das Festival beginnt und wann es endet. Wenn Alexander Pereira noch ein paar Jahre bliebe, hätten wir bald Ganzjahres-Festspiele. Kulturpolitisch haben wir diese schon jetzt.

Nicht übel

Die heurigen Festspiele waren zweifellos nicht übel, es gab schöne Erfolge.

Stefan Herheims Regie der „Meistersinger“ von Wagner ist, wenn auch von manchen als Flucht vor der Politik ins Märchenhafte kritisiert, eine Meisterleistung.

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Die Besetzung von VerdisDon Carlo“ mit Jonas Kaufmann, Anja Harteros und Thomas Hampson war die denkbar beste – mit dem Einwand, dass Kaufmann und Harteros kurz davor auch in München, also im selben Einzugsgebiet, in genau diesen Partien zu erleben waren.

Die Auftritte von Anna Netrebko, in Verdis „Giovanna d’Arco“ und in Brittens „War Requiem“, brachten wieder Glanz und -Leistungen nach Salzburg. Letztgenanntes Konzert, mit Ian Bostridge, Hampson und Dirigent Antonio Pappano, war für den Autor dieser Zeilen – neben der von Pfingsten übernommenen „Norma“ mit Cecilia Bartoli – überhaupt der künstlerische Höhepunkt.

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Ja, im Konzertprogramm, mit den fabelhaften Wiener Philharmonikern im Zentrum, waren heuer wieder viele Perlen zu finden. Es gibt kaum einen Dirigenten von Rang, der in Salzburg nicht am Pult stand. Und kaum einen Starsänger, der nicht auftrat: Von Bartoli bis Garanča, von Netrebko bis Harteros, von Kaufmann bis Domingo, von Villazón bis Hampson. Pereira ließ die Puppen tanzen. Wo liegt also der Problem?

Sehr übel

Genau in dieser Haltung. Es geht um Namen statt um Visionen. Quantität scheint mehr zu zählen als Qualität. Es gibt keine erkennbare dramaturgische Linie. Nicht einmal bei den Jahresregenten Verdi, Wagner und Britten hatte man das Gefühl, dass sich die Festspiele tiefer mit ihnen auseinandersetzen. Hauptsache, man hat ihre Werke im Programm.

Hauptsache auch, man startet einen neuen Da-Ponte-Zyklus – das fatale Resultat ist halt ein Kollateralschaden.

Hauptsache, man spielt eine zeitgenössische Oper („Gawain“ von Birtwistle) – ob diese auch Festspiel-tauglich ist, ist sekundär.

Hauptsache, man kriegt einen Maestro wie Zubin Mehta für „Falstaff“ – wie er diesen dann zwischen seinen anderen Auftritten umsetzt, ist ja nicht so wichtig.

Und szenisch bietet man die ganze Bandbreite, vom Stehtheater eines Peter Stein bis zum Irrläufer eines Damiano Michieletto, der ausgerechnet den musikalisch so quirligen und humorvollen „Falstaff“ im Altersheim mit Rollatoren spielen lässt.

Zu viel also, immerhin oft zu viel des Guten. Nach Pereira braucht es dringend einen Fokus auf das Wesentliche, eine Reduktion auf das ausschließlich Hochqualitative, eine inhaltliche Überzeugungskraft und, bei aller Kulinarik, eine intellektuellere Ausrichtung. Wo, wenn nicht in Salzburg, sollte Oper im Allgemeinen und das Mozart-Fach im Speziellen mit einzigartigen Produktionen vorangetrieben werden?

Die Übergangsjahre mit Sven-Eric Bechtolf (2015, ’16) lassen sich zur Zeit kaum einschätzen. Ab 2017 braucht es jedenfalls einen Intendanten, der nicht nur möglichst viele Puppen besitzen will, sondern mit ihnen wieder in jedem Bereich Geschichten von weltweiter Strahlkraft entwickelt.