Berlinale: Minichmayrs Glanzleistung
Vor drei Jahren hatte Birgit Minichmayr auf der Berlinale den Silbernen Bären als Beste Schauspielerin bekommen – für ihre Rolle in "Alle Anderen" von Maren Ade. In diesem Film war die es ganze Zeit hindurch heiß, Minichmayr trug zumeist Bikini.
In ihrem neuen Film, der auf der Berlinale wieder im Wettbewerb antritt, ist es saukalt: Der deutsche Regisseur Matthias Glasner lässt "Gnade" im norwegischen Ort Hammerfest spielen, die meiste Zeit während der acht Wochen langen Polarnacht.
Auch "Gnade" ist ein Beziehungsdrama. Der Film ist packend wie ein Thriller und trotz seiner 130 Minuten nur um das dick aufgetragene Ende zu lang. Minichmayr spielt – glänzend, intensiv, jeden Moment berührend – eine Krankenschwester namens Maria, die mit ihrem Mann nach Norwegen zieht, weil er dort einen besseren Job bekommt. Darauf hat sie sich u. a. im "Göttlichen Heiland" in Wien vorbereitet.
Ihre Ehe ist kaputt, er betrügt sie – und dann passiert noch ein folgenschwerer Unfall: Maria prallt mit dem Auto im Dunkel gegen ein Hindernis. Sie ahnt Schlimmes, fährt aber weiter und liest am nächsten Tag in der Zeitung, dass ein 16-jähriges Mädchen totgefahren wurde.
Gnade?
Wie umgehen mit der Situation? Zur Polizei gehen? Verdrängen oder die Fahrerflucht gestehen? Wie wird man im kleinen Ort darauf reagieren? Gibt es Gnade? Diese Unsicherheit, die Beklemmung lässt das Paar einander wieder näherkommen. Und man schaut sowohl Minichmayr, die in diesem Film auch Norwegisch sprechen muss, als auch Vogel gebannt bei ihrem exzellenten Spiel zu.
Dass der Film in Berlin gewinnt, ist aber unwahrscheinlich. Bei der ersten Vorführung gab es sogar einige Buhs, die nicht ganz nachvollziehbar sind.
Die beiden anderen gezeigten deutschen Filme haben jedenfalls bessere Chancen auf den Goldenen Bären: "Barbara" von Christian Petzold, ein DDR-Drama mit Nina Hoss in der Hauptrolle. Und "Was bleibt" mit Corinna Harfouch und Lars Eidinger – eine famose, entlarvende Familiengeschichte.
Einer der großen Topfavoriten ist "Tabu" von Miguel Gomes, einem portugiesischen Regisseur. Dieser erzählt in Schwarz-Weiß-Bildern vom verlorenen Paradies in Afrika und der Gegenwart in Lissabon. Eine altmodische Liebesgeschichte, fabelhaft geschrieben, humorvoll, traurig und schräg.