Kultur

Beklemmende Studie über Mobbing und Machtmissbrauch

Bei den Wachaufestspielen im Teisenhoferhof in Weißenkirchen ist am Freitagabend Felix Mitterers Bühnenfassung von Friedrich Torbergs 1929 entstandenem Roman „Der Schüler Gerber“ zur Premiere gelangt. Intendant Marcus Strahl hat das Stück packend inszeniert und auch die Rolle des sadistischen Lehrers „Gott“ Kupfer übernommen.

Die Wachaufestspiele sind immer für Überraschungen gut, vor allem in den scheinbaren Nebenproduktionen, die sich zeitgeschichtlichen österreichischen Stoffen widmen. Diesmal also Torbergs legendärer, 1981 von Wolfgang Glück verfilmter „Schüler Gerber“. Und obwohl Ausstattung und Kostüme (Petra Teufelsberger) durchaus historisieren, wird ohne didaktische Aktualisierungen deutlich, dass es nicht nur um ein rein schulisches Phänomen am Vorabend des Nationalsozialismus geht, sondern um Machtmissbrauch, der nach wie vor in verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten anzutreffen ist, etwa bei Mobbing und unter Konkurrenzdruck.

 

Diese Atmosphäre der Angst, der Unterdrückung und des sanktionierten Aufbegehrens wird sehr glaubwürdig vermittelt, und wenn Rudolf Pfister als liberaler Deutschprofessor dem unsympathischen Kollegen die Stirn bietet, erntet er sogar spontanen Applaus aus dem Publikum. Da werden die Zuschauer unversehens zu Kindern, die dem Kasperl zujubeln, wenn er gegen das Krokodil kämpft: ein wunderbarer Theatermoment, in dem man sich mit dem „Guten“ solidarisieren kann.

Geradezu beklemmend kommt Strahl als gnadenloser Mathematikprofessor Kupfer im weißen Anzug und mit Schmiss an der Wange über die Bühne. Sehr schön differenziert charakterisiert ist die Klasse mit ihren unterschiedlichen Typen vom egoistischen Streber über den trotzig-aufmüpfigen Scherzbold bis zur koketten Aussteigerin. Martin Gesslbauer spielt nicht nur den Vater Gerber und den Schüler Lewy, sondern hat auch das wandelbare Bühnenbild gestaltet, bei dem die Mitwirkenden selbst immer wieder zu Kulissenschiebern werden.

Das Stück habe auch mit Mut und Zivilcourage zu tun, liest man im Programmheft. Es tut gut, wenn auch diese Anliegen im sommerlichen Theater Platz finden. Das muss nicht betulich moralisierend daherkommen, kann vielmehr spannend und auch unterhaltsam sein. Die Wachaufestspiele zeigen es vor. Ewald Baringer