Kultur

Mehr Problemstück denn überbordender Spaßmacher

Man kann es Intendant Roland Geyer gar nicht hoch genug anrechnen. Immer wieder stellt das Theater an der Wien Opern zur Diskussion, die keinen Eingang in das gängige Repertoire gefunden haben. Und das meist in einer klugen Art und Weise.

Giovanni Paisiellos 1782 in St. Petersburg uraufgeführtes Werk "Il barbiere di Siviglia" ist so ein Fall, startet man an der Wien damit doch einen dreiteiligen Beaumarchais-Zyklus, der mit Mozarts "Le nozze di Figaro" und Darius Milhauds "La mère coupable" seine Fortsetzungen finden wird. Eine komplette Beaumarchais-Figaro-Trilogie, anhand derer die Entwicklung der Protagonisten über Jahre hinweg geschildert wird. Oper, nah an der literarischen Vorlage mit garantierten Aha-Erlebnissen.

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Reduzierte Komik

Und solche stellen sich auch bei Paisiellos "Barbiere" ein. Denn wer auf satte Komik wie bei der weitaus berühmteren "Barbiere"-Vertonung Gioachino Rossinis wartet, wird hier enttäuscht sein. Wo Rossini ein melodisches Feuerwerk nach dem anderen zündet und Pointe an Pointe reiht, hält sich Paisiello zurück. Sein "Barbiere" (Librettist unbekannt) ist dunkler, härter, musikalisch reduzierter. Komische Momente sind vorhanden; insgesamt aber dominieren Generationskonflikte und Sozialkritik.

Auch in der Inszenierung von Moshe Leiser und Patrice Caurier, die das Stück im Spanien der 1940er-Jahre ansiedeln, also zur Zeit des Franco-Regimes. Hier sehnt sich der alternde, autoritäre Dottore Bartolo – die eigentliche Hauptperson – nach Liebe, wird aber von der jüngeren Generation rund um Rosina, Figaro und Graf Almaviva düpiert. Er kommt in Christian Fenouillats braunem Wohnzimmer-Bühnenbild (Kostüme: Agostino Cavalca) letztlich im wahrsten Sinne des Wortes auf den Hund.

Reduzierte Klänge

Eine beeindruckende Personenführung prägt die überseriöse Umsetzung von Leiser und Caurier; zu lachen gibt es nicht allzu viel. Auch in der Musik nicht, die von Dirigent René Jacobs und dem guten Freiburger Barockorchester zumindest bei der Premiere pädagogisch wertvoll "buchstabiert" wurde. Erst nach und nach ließ der Dirigent die Zügel etwas lockerer, brachte Paisiellos Witz (ja, den gibt es auch) besser zur Geltung.

Und die Sänger? Als Bartolo gelingt Pietro Spagnoli ein vokal wie darstellerisch anrührendes Rollenporträt, als Figaro lässt der Bariton Andrè Schuen kaum Wünsche offen. Die Sopranistin Mari Eriksmoen ist eine in jeder Hinsicht sehr aparte Rosina; Tenor Topi Lehtipuu ein stimmlich nicht ganz souveräner Almaviva. Fulvio Bettini (stark als Basilio), Erik Arman und Christoph Seidl füllen ihre Rollen aus. Dass Paisiellos "Barbiere" trotz all dieser Bemühungen zu einem Siegeszug ansetzt, darf dennoch bezweifelt werden.

Im Schatten Rossinis

Werk Giovanni Paisiellos „Barbiere“ wurde 1782 in St. Petersburg uraufgeführt, war ein gigantischer Erfolg und steht heute (nicht zu Unrecht) im Schatten Rossinis.

Produktion Moshe Leiser und Patrice Caurier betonen die ernsten, dunklen Seiten der Oper. Etwas mehr Witz hätte dennoch nicht geschadet.

Dirigat Pädagogisch fast zu wertvoll.

Gesang Ein gutes Ensemble dient Paisiello.

KURIER-Wertung: