Kultur

Jung sein ist wirklich das Letzte

Sarkasmus ist das wichtigste Stilmittel der Jugend.

„Nenn mich einfach Superheld“, sagt der verbitterte Marek zu seiner Ex-Freundin. Sarkasmus ist sein zweiter Vorname, und man kann ihn verstehen. Der 17-Jährige hat nach einer Rottweiler-Attacke sein Gesicht verloren. Wie viel davon noch übrig ist, ist nicht ganz klar. In Mareks Wahrnehmung: nichts. Er hält sich für ein Monster mit Narbenfratze, die er durch Sonnenbrille, Hut und Haare verstecken will. Vor allem aber will er sich Menschen durch widerliches Benehmen vom Leibe halten.

Ganz besonders die, die es gut mit ihm meinen.

Mürrischer Teenie

Gewohnt lakonisch erzählt Alina Bronsky in ihrem fünften Roman vom Schicksal eines Teenagers, der mit sehr viel Leben auf einmal zu kämpfen hat. Die vermeintliche Entstellung, die unglückliche Liebe und das grundlegende Unverständnis, das er seiner Umgebung entgegenbringt – und umgekehrt.

Vieles im Verhalten dieses mürrischen Pubertierenden ist „typisch Teenager“: die Ungeduld, mit der er seine Mutter abkanzelt; die Ablehnung, die er für deren Lebensgefährten übrig hat; die Selbstgerechtigkeit, mit der er seinen Vater verurteilt. Dazu die bösartige Mischung aus Hass auf sich selbst und Geringschätzung anderer: Das kennt man aus eigener Adoleszenz oder vom Mitleiden mit den Kindern. So sieht Erwachsenwerden aus.

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Die vielen Schicksalsschläge und seltsamen Wendungen, mit denen es der grantige Teenager in diesen wenigen Monaten erzählter Zeit aufnehmen muss, erscheinen fast übertrieben. In einer Selbsthilfegruppe lernt Marek andere vom Leben gezeichnete Junge kennen (er nennt sie „Krüppeltruppe“), verliebt sich in eine zickige Rollstuhlfahrerin, hat Sex mit seiner Stiefmutter, und am Ende ufert eine Begräbnisfeier in ein Saufgelage aus. Man könnte das für übertrieben halten. Wüsste man nicht, dass es im echten Leben noch viel ärger zugeht. Die 35-jährige Alina Bronsky weiß das: Der Vater ihrer drei Kinder verunglückte 2012 tödlich in den Bergen.

Schon Bronskys Debüt „Scherbenpark“ , mit dem sie beim Bachmannpreis antrat, hatte viel Öffentlichkeit, ebenso der Nachfolger „Spiegelkind“. Das liegt am wenigsten an Bronskys Stil, der ist unkompliziert: Der Satzbau ist einfach, sie verwendet viel direkte Rede. Was Bronsky gelingt: Selbstironie plus der richtige Ton.

KURIER-Wertung: