Kolumnen

Weiße Kaninchen

Unlängst bestieg das Redaktionskomitee der Wiener Ansichten den Wienerberg und flanierte durch ein (vom Forstamt geschaffenes) Naturparadies, an dessen südlichem Ende sich großzügige, maximal vierstöckige Wohnsiedlungen, allesamt Mitte der 1980er-Jahre erbaut, befinden.

Heute baut man nicht mehr so. Heute baut man höher, dichter, enger. Gewinnmaximierend. Auch und gerade am Stadtrand. Von Favoriten bis Floridsdorf und in die Donaustadt. Diese Art des dicht Bauens sei der einzige Weg, der großflächigen Bodenversiegelung durch die kleinbürgerliche Lust am Einfamilienhaus entgegenzuwirken, sagen allerhand Experten. Was sie nicht dazu sagen: Dass in Oberlaa, Leopoldau oder im Donaufeld nicht ausschließlich für die bedürftige Stadtbevölkerung gebaut wird. Sondern auch für Leute aus der ganzen Welt, die nicht wissen, wohin mit ihrem Kapital. So mancher Immobilienanbieter hat seine Homepage auf Mandarin übersetzt.

Dass man Investoren aus Fernost, die selten persönlich zur Begutachtung anreisen, mit Versprechen vom „Blick in den Sonnenaufgang“ kriegen kann, wenn es um Wohnungen neben der Südosttangente geht, haben wir ja unlängst geschrieben. Zu den poetischen inhaltlichen Behauptungen kommen nun die immer lächerlicheren Namen vieler Neubauprojekte. Es war seinerzeit ja schon der „Monte Laa“ in Favoriten affig. Heute heißen Immobilien in Floridsdorf „Twentyone“, Wohnungen in der Kuchelau „the shore“ – Sie wissen: Wasser und so. In der Nähe der Kennedy-Brücke bauen sie jetzt eine Anlage mit dem großspurigen Namen „Kennedy Gardens“: Schauen wir, wie viel „Garden“ bei 512 Wohnungen auf engem Raum übrig bleibt. Immerhin, die Bauteile tragen blumige Namen („Magnolia“) und die Renderings sind auch sehr grün. Derzeitiger Favorit an zwangsoriginellen Namen ist ein Bauprojekt nahe der Cumberlandstraße. Die dort geplanten 166 Wohnungen werden „Alice in Cumberland“ heißen. So viel Kreativität lässt von weißen Kaninchen träumen.