Die Sonne in der Hand: Kurzurlaub auf Capri
Von Marco Weise
Die Sonne fehlt. Wer sie hierzulande sehen will, muss meist irgendwo rauf auf einen Berg. Dorthin, wo der Nebel nicht alles in grauen Schleier hüllt. Aber zum Glück kann man Sonne auch trinken. Und das seit 1969. In jenem Jahr ging nämlich über Eppelheim in Baden-Württemberg die Capri-Sonne auf. Der nach der italienischen Insel benannte O-Saft aus Deutschland steht seither für Dolce Vita, ein Leben ohne Sorgen: Der nächste Strand ist nur noch einen Schluck entfernt. Oder so.
Dass einen die Sonne küsst, wenn man sich so einen kleinstkindfreundlichen Beutel im Supermarkt kauft, ist natürlich ein (besonders dreister) Marketingschmäh, aber auch einer, der seit vielen Jahren funktioniert. Um die Wirkung spüren zu können, muss man einfach einen ordentlichen Zug nehmen, die Augen schließen, und schon werden Erinnerungen ausgelöst: Es schmeckt nach Kindheit, nach Schulzeit, nach der ersten großen Liebe (oder Krise) im Pausenhof, nach Sand, Schweiß, Meerwasser und Sonnencreme. Zu lange sollte man aber nicht am Strohhalm aus Karton herumkauen bzw. -nuckeln, denn der löst sich nämlich bald einmal auf, was ja aus umwelttechnisch Aspekten erfreulich ist.
Weniger erfreulich ist der Etikettenschwindel. Denn wo Sonne draufsteht, ist wenig Sonne (in Form von sonnengereiften Orangen, die einem auf der Verpackung präsentiert werden) drinnen: Es werden ausbaufähige zwölf Prozent Fruchtgehalt (davon 7 Prozent Orangensaft, 4,9 Prozent Zitronensaft und 0,1 Prozent Limettensaft) angeführt. Der Rest sind Wasser, Zucker und irgendwelche Konservierungsmittel. Zu viel Capri-Sonne ist also nicht gut. Es hilft sicherlich nicht dabei, 100 Jahre alt zu werden. Aber an schwierigen Tagen (im Winter) lässt sich damit schon die Stimmung aufhellen, auf Capri kurzurlauben. Man kann es auch mit Muhammad Ali sagen, der 1979 in einem nicht ernst gemeinten Werbespot sagte: „Capri-Sonne ist das Größte, wie ich! Für alle Zeiten.“