Kolumnen

Paaradox: Nicht offen gesagt

Sie

Und heute: das Thema „subtile Kommunikation“. Kann er! Es sind diese harmlos scheinenden „en-passant“-Sätze, mit denen er alles meint, aber nix sagt. Warum das so ist? Dem Mann gegenüber fällt es  schwer, direkt zu sein, stattdessen verliert er sich im Reich des subkutanen Schwurbelns.  Vergangenes Wochenende etwa, als ich mit dem Zug verreiste. In einem Anfall von Liebes-Enthusiasmus schrieb er mir eine WhatsApp-Nachricht –  garniert mit allerlei Amore-Emojis: Ich hole dich mit Gustav (unser Hund) vom Bahnhof ab. Das ist Romantik!“ Da wusste ich noch nicht, dass er einen dringenden Fußballschlager (Stichwort: Barça) vergessen hatte.

Is was?

Und so stocherte er lustlos am Abend vor meiner Abreise im Risotto herum und wirkte, als hätte man ihm das Ladekabel aus dem Energiekörper gerissen. Das subtile Signal, ich möge ihn maximal empathisch nach seinem Befinden fragen. Was ich Gute, selbstverständlich tat: „Is was?“  Er: Nix spezielles, ich denke gerade daran, wie es wäre, würde Barca am Sonntag verlieren. Dackelblick. Gebeugte Haltung.  Hufi-(Selbstmit-)Leid. Mir war  klar, dass da was nicht stimmte, sagte „Ui“ – und sonst nix. Bedrückende Stille, anhaltendes Risotto-Stochern: Hm, ähem, das Match ist am Sonntagabend, ähem. Seufzen.

Nun war  mir klar, dass die Jammer-Show  einen einzigen Zweck hatte:  den Rückzieher von seinem ultimativen Romantik-Angebot, mich um 21 Uhr (Matchbeginn, huch!) nach Hause zu kutschieren. Gepaart mit großem Hunger nach Mitleid, sodass ICH es schließlich sein würde, die schreit: „Ach, du Armer, bitte hol! mich! nicht! ab!“ Das hätte er – wie so oft – einfacher haben können. Indem er  sagt, was ist und was er möchte: Fußball schauen, Baby. Wie sagte  einst Arthur Schnitzler? „Das wichtigste im menschlichen Verkehr bleibt immer: die Leute bei schlechtem Gewissen zu erhalten.“ Unter uns: Diesbezüglich sind wir beide Eigentor-Schützenkönige.  Aber was er kann, kann ich noch besser.

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Er

Dick und fett stand  es im Kalender: Clásico! Was dem Papst die Ostermesse, ist mir das Duell Real Madrid gegen FC Barcelona. Diesmal noch mehr, weil ich in Anbetracht der katalanischen Formkurve ein gutes Gefühl für die Begegnung hatte. Das Problem: Ich hatte das Ereignis, für das ich ein Rendezvous mit Monica Bellucci oder Scarlet Johansson oder sogar mit beiden auslassen würde, für den Samstag avisiert. Warum, weiß der Teufel. Vielleicht sehnte er sich in seiner höllischen Langeweile nach Erheiterung und wollte mich daher beobachten, wie ich an der Meisterprüfung im Fach Diplomatie scheitere. Denn als ich in El Mundo Deportivo gerade eine profunde Analyse über das Sturmsystem Torres-Aubameyang-Dembélé las, entdeckte ich: Anpfiff Sonntagabend. Aber da war es zu spät, weil ich meiner Frau längst lässig versprochen hatte, sie um exakt diese Zeit selbst!ver!ständ!lich! vom Bahnhof abzuholen.

Hohe Hürde

Diese Ankündigung zu widerrufen, wäre unter normalen Umständen kein Problem gewesen, gnä Kuhn kennt ja meine Neurose. So oft hat sie gesagt: Kannst du reden, oder ist gerade Barça-Hochamt? Aber diesmal hatte sie mir geschrieben: Das freut mich ganz besonders! Als hätte sie die Bredouille geahnt und vorsorglich mit dem Teufel korrespondiert, Motto: Hearst Luzifer, wollen wir uns einen Jux machen? Denn dieses „ganz besonders“ ist klarerweise eine hohe Gewissenshürde. Und eine Planänderung hätte jenes Ist ok, kann ich gut verstehen zur Folge, das bedeutet: Ist gar nicht ok, will ich null verstehen.

Also probierte ich den guten, alten Trick, sie mit vagen Andeutungen subtil dahin zu führen, dass Clásico statt Bahnhof am Ende ihre liebevolle Idee sei. Klappte nicht. Stattdessen sprach sie: Sag’s doch einfach! Aber ich sagte es nicht. Und gut war’s. Wir hatten einen feinen Abend, und ich schaute mir das Match als Aufzeichnung in der Nacht an. Barça siegte 4:0!!!
Tja. So ein Teufel kocht auch nur mit Wasser.

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