Kolumnen

Paaradox: Kopfzerbrechen

Sie„Liebe ist ein Zeitwort, ein Verhältniswort, ein Zahlwort oder ein Umstandswort – je nachdem.“ Ein Gedanke, der Orson Welles zugeschrieben wird, sich mir aber nicht ganz erschließt – trotz heftigen Grübelns. Hm, vielleicht fehlt’s mir an emotionaler Intelligenz, wobei der Mann gegenüber behauptet, ich hätte zu viel davon: Du immer mit deinen Gefühlen. Ja, zugegeben, ich gehe mir mit meiner „Überdosis G’fühl“ mitunter selbst auf den Wecker und würde fix einen Pokal im Contest „Sinnieren, bis der Arzt kommt“ kassieren. Ich kann das. Setze zum Beispiel das Zucken seines linken Mundwinkels ins Verhältnis zum Zappeln seines rechten Fußes, addiere dazu unsere 25 gemeinsamen Jahre sowie den Umstand, dass wir kürzlich eineinhalb Minuten nix geredet haben – um dann zu fragen: „Ist was?“

Das sagt mein Bauch!

Wenn er nun erwidert, dass gar nix sei, entgegne ich, dass mir „mein Gefühl“ was anderes flüstert. Ich mir sogar sehr sicher bin, dass was ist, weil: „Das sagt mir mein Bauch. Also raus damit!“ An dieser Stelle fragt der Mann meist, ob ich etwas Schweres gegessen hätte. Wenn ich nun gereizt nachhake, was das genau mit meinen „Gefühlen“ und diesem Beziehungsmoment zu tun hätte, meint er nur: Wurscht, nicht wichtig. – „Wurscht, nicht wichtig“: Pah! Was für eine Aussage – der ultimative Dialog-Fauxpas. Da kann ich nicht anders, als einen ausführlichen Monolog über die gnä-Kuhn’sche Intuition halten, um auf die (zugegeben sehr umstrittene) These hinzuweisen, dass Frauen von Geburt an ein E-Hirn haben könnten. Also eines, das auf Einfühlungsvermögen geeicht ist, während Männer tendenziell ein S-Hirn hätten – S wie „systematisch“. An dieser Stelle ächzt er nur: Geh bitte, Gaby! Und kontert ebenfalls mit einem Monolog – zur hohen Kunst, fünfe auch mal gerade sein lassen zu können. Er schließt mit Ringelnatz: Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht. Und schon wieder habe ich was zu grübeln. – Nein, fad wird uns nie.

gabriele.kuhn@kurier.at / facebook.com/GabrieleKuhn60

Er

Warum es überhaupt zu diesem Text meiner Frau kam? Weil ich es unlängst wagte, nach einer gefühlt ewigen Löcher-in-den-Bauch-Suada zu erwidern: „Geh’ bitte!“ Zugegeben, der Ton in meiner Stimme war etwa vergleichbar mit meinem „Oida!“, als Karim Benzema mit einem Hattrick Barça aus der Copa del Rey ballerte, aber ich hatte dennoch großes Verständnis. Für mich. Was mich jedoch dramatisch von ihr unterschied. „Geh bitte!“ mag sie gar nicht. Ich glaube sogar, dass es –  intoleranzmäßig – für sie die Laktose ehelicher Dialoge ist. Zumindest deutete ich ihre Frage Na genau, und was anderes fällt dir dazu nicht ein? als Indiz für Unverträglichkeit. Gnä Kuhn ortet in solchen Fällen mit Vorliebe meinen Versuch, durch eine Verharmlosungsattitüde das gemeinsame Kartenhaus der emotionalen Schieflage fluchtartig und vielleicht gerade noch rechtzeitig zu verlassen. Naja, damit hat sie natürlich recht.

Bohrungen

Es kann eben mitunter mühsam sein, wenn eine kleine Geste oder ein kurzer Blick von einer Sekunde auf die andere zum Anlass werden, um ihre investigative Saite für ein monumentales Streichkonzert zum Schwingen zu bringen. Dabei ist es gar nicht entscheidend, welche der kuhn’schen Tiefseelenbohrungen stattfindet – ob Ich spür doch, dass dich etwas bewegt oder Ich kenne dich, in dir rumort’s. Ob Ist was? oder Was ist? Ob Michael! oder Sag’! Sicher ist nur: Sie will reden. Was leider inkompatibel ist mit: Ich will schweigen. Ihr Wollen ist allerdings meistens entschlossener als mein Wollen. Was bedeutet, dass ich plötzlich doch irgendwann als Gefühlsvortragender die Bühne betrete, und sie mich dank erstaunlicher Geduld erst nach 60 Sekunden das erste Mal unterbricht. Um am Ende in ihrer Rolle als therapeutische Regisseurin zu konstatieren: Gib zu, dass es dir jetzt besser geht. Dann sage ich: „Eh, aber nur, weil ich weiß, dass es dir jetzt besser geht.“ Worauf sie sagt: Geh’ bitte! Und wir beide gleichzeitig lächeln.

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