Paaradox: Basta, Pasta!
Sie
Die Frage, was sich der Mann gegenüber gekocht hat, erübrigt sich längst. Weil die Antwort darauf so gut wie immer lautet: Was mit Nudeln. Dann offenbart sich eine atemberaubende Welt kulinarischer Vielfalt: Nudeln mit Eiern, Nudeln mit Ketchup, Nudeln mit Salz, Nudeln mit Pfeffer, Nudeln mit Butter, Nudeln mit Nudeln, Nudelsalat, Nudelsuppe.
Küchenschlacht
Es verwundert daher nicht weiters, dass die Antwort auf meine Frage, was ich denn für ihn zubereiten darf, wenn er mich besucht, zuletzt meist so lautet: Eher nix mit Nudeln. Wenn nämlich Le Gourmet die 45 Schritte bergauf Richtung „Gabys Küchenschlacht“ wankt, steigt die Erwartungshaltung in der Causa „Menüfolge“ mit jedem Schritt. Dann betritt er unsere Wohnung und das Erste, was ich vernehme, ist: Puh, ich habe vielleicht einen Hunger! Gleichzeitig sehe ich ihm den See im Mund an, auch, weil er sich sicher ist, dass ich für ihn den ganzen Tag stundenlang in Haubenmenü-Rezepten gestöbert habe und jetzt gleich ganz Großes kommt. Statt Nudeln wird die Dame des Hauses fix getrüffeltes Püree, gratinierte Jakobsmuscheln, Limettenrisotto oder irgendwas mit Honig-Chili-Kruste servieren. Doch wie heißt es so schön: Das Leben ist kein Wunschkonzert. Und so schien er zuletzt ein wenig enttäuscht, als ich eine Auflaufform mit vegetarischer Lasagne auf den Tisch knallte und „Guten Appetit!“ rief. Hm, ich sagte doch, eher nix mit Nudeln, sprach er leise und fügte freudlos hinzu: Und da ist gar kein Fleisch drin! In solchen Momenten denke ich nicht lange nach, sondern zaubere die erstbeste Weisheit aus dem Hut, etwa „Iss! Hunger ist der beste Koch.“ Schau, schau, es wirkte: Nach dem ersten, kritisch-zögerlichen Bissen sprach er: Gebe zu, das schmeckt sehr gut, gar nicht nach Nudeln und gar nicht nach Grünzeug. Nun erhob ich mein Glas und schob eine weitere Weisheit nach: „Salute, Amore! Manchmal sollte man sich lieber Nudeln als Sorgen machen.“
Er
Sehnen wir uns nicht alle danach, dass unser Leben al dente ist? Vor langer Zeit sollte ich für eine Kinderschar kochen, weil meine Frau länger als geplant auf einer Klausur weilen musste. Ich sprach am Telefon: „Äh! Wie? Was? Puh! Echt?“ Und sie antwortete nur kurz: Du, keine Zeit jetzt, schnapp dir irgendein ein Kochbuch, du schaffst das, bist ja schon groß, Bussibaba. Das war natürlich eine hilfreiche Inspiration, aber ich stellte mich der Herausforderung. Die begann damit, dass ich mir die Frage stellte, ob es in der British Library, der größten Bibliothek der Welt, unter den 170 Millionen Exemplaren mehr Kochbücher gibt als in unserem Rezepte-Flügel. Von „Kulinarischer Ruhrpott“ über „Die 99 besten Biomalz-Gerichte“ bis „Die Kunst der Kohl-Küche“ reichte die Auswahl. Die Suche nach Werken wie „Menüs, die jeder Depp zusammenbringt“ suchte ich vergeblich. Und einfach Pizza zu bestellen, hätte mir einen Eintrag in die „Das-darf-ja-nicht-wahr-sein“-Liste eingebracht. Ich wollte spontane Zauberqualität einbringen und fand in einem banalen italienischen Kochbuch einen Makkaroni-Auflauf.
Meisterstück
Ich verzichte auf die Details einer nervenaufreibenden Zubereitung in jener Versuchsanstalt, die von Profis gerne Küche genannt wird. Nur so viel: Die Fratzen waren begeistert. Was gnä Kuhn allerdings nicht zu einer angemessenen Heldenverehrung veranlasste, sondern lediglich zu einem lapidaren Na schau, geht ja eh. Entscheidend ist, dass ich seit damals dieses Meisterstück regelmäßig kredenze und das Rezept sogar schon auswendig kann. Wie im Übrigen so manch anderes Nudel-Gericht aus dem einzigen Kochbuch, das ich besitze. Es war daher tatsächlich irritierend, als die Chefköchin Lasagne, noch dazu eine vegetarische, offenbarte … und zur Abwechslung einmal Nudeln gluckste. Es schmeckte trotzdem fein. Vielleicht aber auch nur wegen des dazu getrunkenen Biers – aus Biomalz, eh klar.