Kolumnen

Kralicek geht essen: Café Heumarkt

Wäre das Café Heumarkt ein Mensch, würde man von einer lebenden Legende sprechen. Es wäre ein älterer Herr, dessen Anzug einmal richtig schick gewesen sein muss, jetzt aber schon ziemlich abgewetzt und speckig ist. Das Heumarkt ist eine Zeitkapsel. Vor fünfzig Jahren hat es hier sehr wahrscheinlich genauso ausgesehen wie jetzt.

Café Am Heumarkt: Am Heumarkt 15, 1030 Wien

Das Kühlaggregat der kleinen Kuchenvitrine, die mitten im Lokal steht, ist ganz sicher noch dasselbe wie damals. Wenn es anspringt, was es alle paar Minuten tut, erhebt sich ein infernalisches Dröhnen, das die Fensterscheiben zittern lässt und an den umliegenden Tischen dazu führt, dass sich die Gäste nur noch im Brüllton unterhalten können. Die Höllenmaschine ist aber auch unüberhörbares Zeichen dafür, dass es elektrischen Strom gibt, was im Heumarkt nicht unbedingt selbstverständlich ist. Steckdosen sind rar, und sollte es irgendwo im Lokal WLAN geben, dann strahlt es vom benachbarten Hotel Intercontinental herüber. Kreditkarten? Vergiss es.

Das Café Heumarkt („Am Heumarkt“, wie es mit vollem Namen heißt, sagt keiner) ist eine beliebte Location für Dreharbeiten und Fotoshootings, weil wenn du so was nachbauen musst, wird’s teuer. Aber auch wenn man’s manchmal gar nicht glauben kann: Das Heumarkt ist keine Filmkulisse. Man kann hier Kaffee oder Bier trinken, frühstücken und mittagessen. Die Billardtische lassen darauf schließen, dass man theoretisch sogar Billard spielen könnte (dass das nie jemand tut, wird aber auch seine Gründe haben). Und die Tageszeitungen sind überraschenderweise nicht aus den 70er-Jahren, sondern tatsächlich von heute.

Das Heumarkt ist die radikale, puristische Version eines Wiener Kaffeehauses. Weniger geht nicht, mehr braucht es eigentlich nicht. Die Legende lebt!