Kolumnen

Johannas Fest: Tafelspitz und Rösti

Bei unseren Familienfesten kamen früher sechzehn Leute zusammen: Meine Mutter, wir sechs Geschwister samt Partnern, sowie meine drei Nichten und mein Neffe. Meine Mutter kredenzte bei diesen Festen meistens Tafelspitz.

Vergangenes Wochenende hatten wir Gäste, die auch bei uns logierten. „Mach doch Tafelspitz!“, riet mein Mann. Dafür sprach, dass es in unserer ländlichen Umgebung herrliches Biorind gibt und dass man für dieses Festmahl einiges schon am Vortag vorbereiten kann. Ich hielt aber dagegen, dass Tafelspitz mit all seinen klassischen Beilagen enorm viel Arbeit ist. Wie hat das meine Mutter allein bloß immer so hingekriegt: die perfekte Schnittlauchsauce, den Apfelkren, die Weltmeister-Rösti (lag wohl in ihren Genen, schließlich war sie Schweizerin), den frischen Spinat und als Amuse-Gueule davor noch Markknochen mit geröstetem Schwarzbrot und Knoblauch. Als süßen Abschluss kam überdies immer ihre Tarte mit perfekt kreisförmig geschlichteten Apfelspalten zu Tisch.

„Wir kochen alle miteinander“, fegte mein Mann das Aufwendigkeits-Argument vom Tisch. Bei den Biobauern kaufte ich Beinfleisch, Fleisch- und Markknochen vom Rind, und natürlich den Tafelspitz. Früher soll laut dem Feuilletonisten Joseph Wechsberg (1907 bis 1983) zur Wiener Gesellschaftsfähigkeit gehört haben, über mindestens ein Dutzend Stücke von gekochtem Rindfleisch von Kavalierspitz über Hüferschwanzel bis Schulterscherzel fachsimpeln zu können.

Amüsante Legende

Anders als die meisten Speisen, die als „Wiener Küche“ geführt werden, ursprünglich aber Spezialitäten der Kronländer des k. u. k. Imperiums waren, ist der Tafelspitz wirklich eine Wiener Erfindung und stammt aus dem Hotel Sacher. Dazu kam es so: Nach der Hofetikette wurde dem Kaiser natürlich als Erstem serviert. Die anderen Teilnehmer durften nur so lange essen, bis Franz Joseph das Besteck weggelegt hatte. Da der Kaiser sehr rasch und bei jedem Gang nur wenige Bissen gegessen haben soll, blieben die am unteren Ende (dem Spitz) platzierten k. u. k. Militärs an der Hoftafel, die noch nicht einmal eine Speise serviert bekommen hatten, immer hungrig. Sie eilten anschließend von der Hofburg zum Sacher, wo das Rindfleisch schon vor sich hin siedete und der Kellner ausgerufen haben soll „Der Spitz ist da!“

– Wie vergangenen Sonntag das gemeinschaftlich zubereitete Abendessen geriet? – Also hungrig hat niemand den von unseren Gästen Andreas und Andrea feierlich mit kunstvoll zu Lilien gefalteten Papierservietten und Kerzenlicht gedeckten Tisch verlassen. Und, dass viele Köche den Brei verderben, hat sich auch nicht bewahrheitet.

Die Vorspeise (Rote-Rüben-Carpaccio mit Schafkäse und karamellisierten Nüssen) war köstlich, die Schnittlauchsauce perfekt wie auch der Apfelkren, das Fleisch saftig und weich, die mit frischem Liebstöckel gewürzte Suppe wurde restlos ausgelöffelt und das Dessert (Erdbeeren mit Cointreau, Vanilleeis und Baisers) bildete den süßen Abschluss. Nur über die Rösti wollen wir lieber den Mantel des Schweigens ausbreiten. Sie präsentierten sich anfangs wie eine Art Püree mit gedünsteten Zwiebeln. Nach zahlreichen Rettungsversuchen in Pfanne und Rohr endeten sie schokobraun wie zu lange übergrillte Kartoffelpuffer. – Die reinste Niederlage. Aber bitte nicht weitererzählen! Meine Schweizer Mutter würde sich im Grab umdrehen.

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