Kolumnen

Johannas Fest: Pinsa und Negronis

Meine Freundin Verena wiederum hatte den ersten Monat des Jahres unter das englische Motto „Dry January“ gestellt. Anfang der vergangenen Woche verabredeten wir uns zu einer Happy Hour. Aber wirklich happy, ohne Kompromisse!

Nach meinen krautigen Wochen träumte ich von einer Frittura mista, gebackenen Calamari und Shrimps mit einem knackigen Salat. Nach rund zwanzig abstinenten Tagen gelüstete es meine liebe Freundin nach Negronis. Das sind köstliche, sehr hochprozentige Cocktails. Der Drink, der übrigens 2019 seinen 100. Geburtstag feierte, besteht nämlich zu gleichen Teilen aus Campari, Gin und süßem Wermut.

Als wir über der kleinen Speisekarte der italienischen Innenstadtbar gustierten, trug der Kellner einen köstlich aussehenden, verführerisch duftenden belegten Fladen an uns vorbei. „Was ist das?“, fragte ich ihn. „Eine Pinsa“, ließ mich der Cameriere wissen und tippte mit dem Zeigefinger auf die Zeile, wo diese Speise vermerkt war.

Ich muss gestehen, es war meine Erstbegegnung mit dieser – wie ich dachte – neumodischen Kreation. „Ist so eine Abart von Pizza und gar nicht neu, sondern wurde vor rund zwanzig Jahren unter dem Markennamen ‚Pinsa Romana‘ registriert“, ergänzte Verena.

Klassiker bevorzugt

Wahrscheinlich bin ich zu sehr auf Klassiker eingestellt, weshalb der Eroberungsfeldzug dieses belegten Fast Foods völlig unbemerkt an mir vorbeigegangen ist. Angeblich sollen nämlich in unseren Nachbarländern Schweiz und Deutschland die Pinseria-Lokale nur so aus dem Boden schießen und selbst in die Speisekarten etablierter italienischer Lokale hätten dort die Pinsas Einzug gehalten. – „Ja, aber bitte wieso?“, fragte ich mich. Wenn schon Sünde, dann geht für mich nichts über eine originalgetreue neapolitanische Pizza aus Meisterhand drüber.

Der Name des Gerichts leitet sich vom lateinischen Wort „pinsere“ (zerstampfen) ab, weiß meine ebenso italophile wie kulinarisch gebildete Begleiterin. Im Gegensatz zur Pizza, die ausschließlich aus Weizenmehl hergestellt wird, fertige man den Pinsa-Teig aus Reis-, Weizen- und Sojamehl sowie aus Sauerteig.

Weitere nicht unwichtige Zutat ist eine Menge Zeit: Mindestens vierundzwanzig und bis zu zweiundsiebzig Stunden solle man ihn aufgehen lassen. Das Resultat nach dem Backen ist so, wie auch ich es bevorzuge: außen knusprig, innen weich. Deshalb solle der Fladen bekömmlicher sein als Pizzen, denn die Gärungsprozesse fänden im Eiskasten und nicht im Magen statt.

Ich ließ mich von meinem Vorhaben, eine Frittura mista zu konsumieren, abbringen und bestellte eine Pinsa mit Parmesancreme, Artischocken und schwarzen Trüffelscheiben um 17,90 Euro.

Die beiden Damen am Nebentisch, die unsere Unterhaltung mitgehört hatten, waren ebenfalls neugierig geworden und folgten unserem Beispiel. Auch für sie war es die Pinsa-Premiere, wie sie uns eingestanden.

Ja, der Fladen hatte gehalten, was so versprochen wird: mit einem Rand, knusprig fast wie das Südtiroler Schüttelbrot und einem Innenteil, an dem man sich nicht die Zähne ausbeißt. Aber, darin waren wir uns alle vier einig: Wir haben es probiert, das nächste Mal bestellen wir doch lieber wieder Pizza. Ein Hoch auf die Klassiker – was perfekt ist, muss nicht neu erfunden werden!