Johannas Fest: Die Maske als "Schmähbremse"
Von Johanna Zugmann
Das heutige Mittagessen wird ein Fest: Meine Freundin Ingrid hat uns zum Besuch unseres Lieblingslokals in der Wachau eingeladen.
Nach zwei Monaten Askese in Sachen „Außer Haus-Verzehr haben wir sofort freudig zugesagt. „Gut, dann sind wir sieben und ich bestelle den neuen Gastro-Verordnungen entsprechend zwei Tische.“ – Das hatte ich ganz ausgeblendet, dass wir zwar weitere zwei befreundete Paare wiedersehen, aber nicht alle beisammensitzen werden. Schade, denn an zwei halbwegs distanzierten Tischen lässt sich kein gemeinsames Gesprächsthema abhandeln.
Und wie würde der charmante Kellner des Etablissements mit dem schönsten Gastgarten, den wir kennen, mit Mund-Nasen-Schutz und Handschuhen wohl rüberkommen? Werden sich Assoziationen ans Spital aufdrängen, wenn er den gebratenen Wels in Knoblauch und Kräutern mit Grünspargel und Emmer oder den Braten vom Ötscherblickschwein mit Grünkrautsalat und Waldviertler Knödel serviert?
Venezianisches Ambiente
Während ich gerade überlegte, ob der Schmäh des Obers trotz Maske rennen werde, läutete das Handy. Mein ehemaliger Gastrosophie-Professor Peter Peter erkundigte sich nach der Stimmung in der Donaumetropole. Der Wissenschafter hat unter anderem sehr empfehlenswerte Bücher über die Kulturgeschichte der französischen, der italienischen, der deutschen und der österreichischen Küche geschrieben (erschienen im C.H.Beck-Verlag). In Letzterem verneigte er sich fast vor unseren Kellnern, weil diese oft so souveräne und gar nicht devote Persönlichkeiten seien.
Ich erzählte ihm von der bevorstehenden Wieder-Öffnung der heimischen Gastronomie und der Maskenpflicht für das Personal. „Jetzt habt Ihr in Österreich halt ein paar Monate lang in den Lokalen venezianisches Ambiente“, scherzte der schlagfertige Münchener. Dann fiel dem belesenen Kulinariker noch ein, dass schon Ludwig II., von 1864 bis 1886 König von Bayern, seinem Diener Gesichtsverhüllung verordnete: Der Kammerlakai Lorenz Mayr durfte dem „Kini“ ein Jahr lang nur mit schwarzer Maske gegenübertreten. Der Grund lag damals nicht in Angst vor Infektionsübertragung. Vielmehr soll es der Untertan einmal gewagt haben, seine Majestät scheel anzusehen. Der Diener ging als Masken-Mayr in die Geschichte ein und hatte wohl nie viel Grund zu lachen unter seinem Herrn.
Dass sich Wirte und Servicepersonal trotz schwierigster Umstände im Jahr 2020 Humor und positives Denken bewahren können, bleibt zu hoffen. Schließlich sind Wirtshäuser, Cafés und Restaurants nicht nur Institutionen, in denen wir Nahrung aufnehmen. Sie sind vor allem Stätten der menschlichen Begegnung.
„Ein echter Wirt versteht sich auch als kulinarischer Seelsorger seiner Gäste“, erläuterte mir während einer Recherchereise durch Zürichs gehobene Gastronomie der multipel ausgezeichnete Parade-Gastgeber Sepp Wimmer, Patron des Zunfthaus zur Waag.
Der österreichische Schriftsteller Heimito von Doderer (1896 bis 1966) bezeichnete die Wirtshäuser gar „als Rückgrat der Nation“.
Wenn wir uns das bewahren wollen, sollten wir Gäste jetzt nicht nur durch Umsatzbelebung, sondern auch durch ausgesprochene Wertschätzung ein bisschen Seelsorge für die Wirte und deren Personal praktizieren. Sie werden es brauchen und wir brauchen weiterhin die Stätten menschlicher Begegnung!