Kolumnen

Johannas Fest: Der letzte Weg des Spitzenkochs

Manche unserer Freunde gehen prinzipiell zu keinen Begräbnissen: zu traurig, zu beschwerlich und zu schmerzlich der Gedanke an die eigene Endlichkeit, lauten ihre Argumente. Meine Gründe, sehr wohl zu Begräbnissen zu gehen: weil mir die Verstorbenen am Herzen lagen und/oder um den Hinterbliebenen meine Anteilnahme und Wertschätzung zu zeigen und auch, um mehr über die Person zu erfahren, die von uns gegangen ist.

Vergangenen Montag nahmen Familie und Freunde Abschied von Starkoch Reinhard Gerer. Dass er eine Ausnahmeerscheinung war – Gastrokritiker bezeichneten den gebürtigen Steirer sogar als eine Art österreichischen Paul Bocuse – ist bekannt. Das 1984 im Ringstraßenhotel „Bristol“ eröffnete Gourmet-Lokal „Korso“ mit Reinhard Gerer als Küchenchef erhielt in seiner besten Zeit vier Hauben und wurde zum Mekka prominenter Feinschmecker. Der kreative Herdkünstler galt als Erneuerer der österreichischen Küche, der es mit seiner Virtuosität verstand, einfachste Gerichte wie das Wiener Beuschel von der Hausmannskost in kulinarische Höhen zu hieven. Dass er sich Inspirationen aus Kunst und Natur holte, war weniger bekannt. Gerer spielte Klarinette, interessierte sich für moderne Malerei, war ein begeisterter Fischer und wanderte gerne.

Was die Ingredienzien einer würdigen Verabschiedung sind? Eine liebevoll gestaltete Parte, ein Foto oder eine Diashow vor dem Sarg und ebenso emotionale wie informative Trauerreden, in denen an die Einzigartigkeit des Toten erinnert wird. Und dann natürlich ein Leichenschmaus, bei dem Begräbnisgäste zu einer Community verschmelzen.

Gerer hat unzählige Jungköche ausgebildet. Wie aus deren Reden hervorging, war er für sie ein Ermöglicher, einer der weder mit der Weitergabe seiner Erfolgsrezepte noch mit Lob geizte. Er hatte ein großes Herz, war hilfsbereit und spendabel, er war einer, dem die Trauergemeinde wohl mehr verdankte, als er ihr: viele spontane Einladungen, kulinarische Höhepunkte und geistreiche, humorvolle Gespräche. Auf der Parte stand neben Gerers Foto ein Zitat vom großen Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe: „Kein Genuss ist vorübergehend, denn der Eindruck, den er zurücklässt, ist bleibend.“ – Wie wahr, passender könnte man es im konkreten Fall nicht ausdrücken!