Alter schützt vor Sturheit nicht
Von Birgit Braunrath
Kennen Sie den Satz: „Einen alten Baum soll man nicht verpflanzen!“? Einen alten Hund auch nicht. Daria ist sehr unglücklich.
Schuld an dieser Misere ist das alte Haus, in dem wir leben. Es braucht ein paar Anti-Aging-Maßnahmen, sprich: neue Leitungen, Fliesen und Armaturen in Bad und Waschküche. Um den dabei entstehenden Staub nicht in alle Kästen einzuladen, haben wir unseren Wohnbereich mit Abdeckfolie versiegelt und sind ins Erdgeschoß, in die mittlerweile verlassenen Kinderzimmer, gezogen.
Ich habe eine provisorische Küche eingerichtet, in der genügend Hundefutter gestapelt ist und es ausreichend Platz für Hundeschüsseln gibt. Ich habe Daria zwei Hundekörbe und ein Schaffell zurechtgelegt. Wir rücken ihre Lieblingsdecke in die Sonne, sobald sie scheint ... Und was macht Daria? Sie protestiert. Seit einer Woche weigert sie sich, die neue Wohnung als ihr Zuhause anzuerkennen.
Protest
Jedes Mal, wenn wir das Haus betreten, geht sie stur die Stufen nach oben – Richtung Baustelle, steht dann in der abgepickten, geschlossenen Küche, sucht ihre Wasserschüssel, schaut mich unschlüssig an. Ich lade sie mit säuselnder Stimme ein, mit mir nach unten zu kommen, und erzähle ihr, wie schön wir’s in unserer „Ferienwohnung“ haben. Sie schnaubt, setzt sich lustlos in Bewegung, trinkt widerstrebend aus der Wasserschüssel in der provisorischen Küche – und legt sich dann mitten auf unser Bett.
Daria weiß seit zehn Jahren, dass sie nicht ins Bett darf. Sie weiß aber auch, wie Protest geht. Als ich sie am Donnerstag kurz allein ließ, legte ich die Tagesdecke übers Bett und zwei umgedrehte Sessel und den Couchtisch oben drauf – um es ihr so unbequem wie möglich zu machen. Als ich heimkam, lag sie hinter den Möbeln auf dem Bett. Also legte ich am Freitag noch mehr Möbel aufs Bett – und als ich heimkam, lag Daria im anderen Zimmer, auf dem Gästebett.
Ich seufzte: „Einen alten Hund soll man nicht verpflanzen!“ Und der Mann seufzte: „Auch das wird vorübergehen.“ Ich, empört: „Aber wir haben’s doch so schön hier unten!“ Er: „Ich freu mich, wenn wir wieder oben wohnen.“ Mir lag auf der Zunge: „Einen alten Mann soll man nicht verpflanzen.“ Aber dann hätte er sich womöglich gepflanzt gefühlt.