Von Vögeln bis zur Schlacht auf dem Eis
Von Heinz Wagner
Mehr oder minder nichtssagender Small-Talk beginnt oft mit dem Reden übers Wetter. Genau das wollen diese beiden nicht. Aber worüber dann?
„Schön. Also sprechen wir über die Vögel“, zitieren sie aus einem der Dialoge des pointierten, kritischen, lange in Russland verpönten Dramatikers Daniil Charms.
Nun flattern, schweben, hüpfen Jugendliche auf die Bühne. Bis nah an die erste Publikumsreihe heran ziehen Dima, Katia, Jakob, Christoph, Lance, Pia, Hanna und Sophie, Martin, Julian, Elias, Victor, Alyona, Nikita, Anastasia, Nastya, Masha, Sima ihre Kreise. Die Jugendlichen aus der Neuen Mittelschule Klagenfurt-Wölfnitz sowie der Schule Nummer 1 im russischen Kingisepp (ca. zwei Autobusstunden südwestlich von St. Petersburg) vermitteln as Gefühl unterschiedlichster Vögel.
Werner Mössler und Markus Rupert, zwei Profi-Schauspieler aus Österreich setzen den oben begonnenen Dialog zunächst mit der Frage fort, „aber, was soll man über sie (die Vögel) sagen?“
„Zum Beispiel: erstens, warum fliegen die Vögel?“
Aus. Ende. Die jungen Vogel-Darsteller verlassen „flatternd“ die Bühne. Charms nahm mit diesem wenige Zeilen umfassenden Dialog Zensur aufs Korn. Scheinbar belangloses reden, um zu zeigen, dass die Redefreiheit mehr als eingeschränkt ist.
Schlacht auf dem Eis
777 Jahre nach der Schlacht am Peipussee, wo sich das Nowgoroder Fürstentum gegen die Angriffe von Deutsch- und Schwertbrüderorden verteidigen konnten, spielten die zuvor schon genannten Jugendlichen aus Klagenfurt und Kingisepp Szenen der zentralen Schlacht nach. Im Museumdieser russischen Stadt finden sich Schwerter und Pfeile aus der Schlacht, in der ein später zur Legende gewordener Feldherr namens Alexander Newski die Gegner in die Falle auf dem zugefrorenen See lockte. Deren schwere Ausrüstung ließ das Eis brechen und sie einsinken.
Der sowjetische Filmemacher Sergeij Eisenstein setzte dem Feldherrn ein Heldendenkmal in Form bewegter Bilder zu denen Sergeij Prokofjew die Musik komponierte. Reiten, Bogen spannen, Pfeile abschießen, mit dem Schwert fechten, wieder reiten und am Ende Jubeln - und das alles ohne ein gesprochenes Wort, nur mit Prokofjews Musik - das spielen die die Jugendlichen synchron mit Werner Mössler, der den Heerführer Newski mimt.
Einer - Eins
Zu den harten Klängen von „One“, einem Song der US-amerikanischen Metal-Band Metallica spielten die drei Theaterprofis Herbert Gantschacher, Werner Mössler und Markus Rupert. Die Band wurde für diesen Song von Dalton Trumbos Geschichte und Film „Johnny got his Gun“ über einen US-Soldaten namens Johnny inspiriert. Der hatte im 1. Weltkrieg beide Arme und Beine verloren hat und war obendrein blind und gehörlos geworden. Er konnte sich allerdings mit Kopfbewegungen, mit denen er Morse-Zeichen aussandte, verständigen. Und natürlich fühlen, körperlichen und seelischen Schmerz empfinden.
„Ich kann nicht leben. Ich kann nicht sterben. Gefangen in mir selbst. Mein Körper eine gefesselte Zelle.“ Das ließ der - ohne seine Hörgeräte, die er auf der Bühne immer abnimmt - fast gänzlich gehörlose Schauspieler Werner Mössler in seiner Darstellung des Johnny das Publikum mehr als eindrücklich spüren.