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Neuer Tag bringt neues Jahr - und neue Hoffnung

Bunte Gewänder, vor allem in rot-gelb-grün (die Ampelfarben sind auch die der Kurd_innen), ebenso wie elegante Anzüge und Kleider dominieren den Weg von der U3-Station zur Konzerthalle im Gasometer - und eben die Halle. Tausende Kurd_innen aus Wien und Umgebung feiern das Newroz-Fest. So wie das persische Nouruz und das afghanische Nauruz kennzeichnet der Frühlingsbeginn gleichzeitig das neue Jahr.

Auf der Bühne in der Wiener Gasometer-Halle singen, tanzen und musizieren Gruppen. Davor tanzen und laufen Kinder kreuz und quer. Und in diesem Jahr wird in einer ruhigeren Ecke im Foyer vorgelesen. Aus „Der Adler, der Fuchs und die Wölfe“, einer Sammlung kurdischer Fabeln, zusammengetragen und aufgeschrieben von Ali Mazoudji, suchen sich die zuhörenden Kinder mehrere Fabeln aus, die vorgelesen werden.

Der Autor verkauft anschließend bei Rundgängen in der Halle Bücher. Die Hälfte des Verkaufserlöses spendet der in Wien lebende Mazoudji für den Aufbau eines von kurdischen und arabischen Frauen (WJAR - Weqfa Jina Azad a Rojava) gegründeten Bildungszentrums in Kobanê, im mehrheitlich kurdischen Gebiet Nordsyriens.

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300 Millionen feiern Newroz/Nouruz/Nauruz ...

Die UNO nennt rund 300 Millionen Menschen, die seit mehr als 3000 Jahren - von der Balkanhalbinsel über die Schwarzmeerregion, den Kaukasus, bis Zentralasien und im Nahen Osten den Beginn des Aufblühens am 21. März feiern. Für viele, wenn nicht sogar die meisten der auf 30 bis an die 50 Millionen geschätzten Kurd_innen ist das Newroz-Fest aber nicht nur Feier-, sondern auch Kampftag. Das übers Feuer springen besiegt bei ihnen nicht nur die kalte Jahreszeit.

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„Ewiger“ Widerstand

Der Legende nach soll an diesem Tag im Jahr 612 v. u. Z., also vor mehr als 2600 Jahren, ein einfacher Schmied namens Kava (Kaveh) sich dem Tyrannen Dehok widersetzt haben. Feuer auf Berggipfeln gaben das Signal zum Aufstand gegen die Willkürherrschaft. Und weil Kurd_innen auch heute noch in den meisten Ländern ihres Siedlungsgebietes (Türkei, Syrien, Irak, Iran, Aserbeidschan...) unterdrückt sind (nur im Irak Autonomie haben), ist für sie auch heute noch Newroz ein Tag des politischen Widerstandes.

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Aufbau

Heuer wird der rund um diesen Tag stattgefundene endgültige militärische Sieg über den IS gefeiert. Jetzt heißt es erst recht: Aufbauen, aufbauen, aufbauen - wozu das Vorlese- und Buchprojekt besonders gut passt(e). Kayra, Şevin, Sarya, Havin, Bawer, Elif und Dilara erzählten danach ein bisschen, wie sie Newroz begehen - außer hier mit vielen, vielen anderen in der Gasometer-Halle. Die einen bekommen von Verwandten Geschenke, vielfach finden gegenseitige Besuche statt - mit besonders gutem Essen wie gefüllten Weinblättern. Andere gehen auswärts in Restaurants esse. Bawer freut sich auf sein Lieblingsessen: Schnitzel oder Chicken Nuggets.

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Hungerstreik

Das Gegenteil betreiben unter anderem die Leyla Güven, Abgeordnete des türkischen Parlaments. Ab 8. November des Vorjahres begann sie - im Gefängnis (viele Abgeordnete der oppositionellen linksdemokratischen HDP wurden von der Erdoğan-Regierung eingesperrt) die Nahrungsaufnahme zu verweigern. Im Jänner wurde sie aus dem Gefängnis entlassen. Mit ihr befinden sich ca. 300 HDP-Anhänger_innen im Hungerstreik. Auch in Wien beteiligen sich Menschen an dieser Aktion - zwei, die seit 50 Tagen mitmachen, sprachen in der Halle zu den Festgästen.

Die Aktion will erreichen, dass Abdullah Öcalan, der als Galionsfigur des Freiheitskampfes von Kurd_innen in der Türkei gilt, und der seit 20 Jahren in einem türkischen Gefängnis sitzt, wieder Besuch von Verwandten und Anwälten bekommen darf. Seit 8. Nevember 2018 ist er in Isolationshaft.

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