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Jugendlicher baut Modell für Neu-Wiederaufbau seines Aleppo

Als Mohammed Kteish ungefähr 12 Jahre alt/jung war, musste er vom Dach jenes Hauses in dem er mit seiner Familie lebte, mitansehen, wie Bomben auf Teile seiner Heimat Aleppo, der einst zweitgrößten Stadt Syriens, fielen. ­Rettungssirenen waren in der Ferne zu hören. Noch waren die Bomben nicht so nah, dass er die Schreie der Verwundeten und Sterbenden hörte. Noch durfte er aufs Dach. Da begann er aus Karton, Papier, Schwämmen und anderem greifbaren Material Häuser und Brücken zu bauen, Stadien und andere Freizeiteinrichtungen, eine Grube malte er blau an – als See.

Wie könnte seine Heimatstadt nach dem Krieg ausschauen. Das war seine Vision, die ihn am ruhelosen Basteln hielt. Das Modell wurde groß und größer, die Lage gefährlich und gefährlicher. Runter, rein in die Garage und dort weiter bauen, bat ihn der Vater. Immer mehr und mehr Teile der Stadt wurden zerstört, immer mehr Menschen fielen dem Krieg zum Opfer. Immer mehr, das irgendwann neu gebaut werden muss.

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Neuer Modellbau im Flüchtlingslager in der Türkei

Schließlich wurde die Lage so bedrohlich, dass Familie Kteish ins Nachbarland Türkei flüchtete – wo sie nun in Kahramanmaraş – nicht weit von Adana und Gaziantep entfernt – seit ungefähr zwei Jahren in einem Flüchtlingslager lebt. Dort begann der heute 16-Jährige mit einem neuen Modell. Im Prinzip muss seine Heimatstadt ja komplett neu aufgebaut werden. Der junge Architekt und Stadtplaner versah sein Modell nun zudem mit einigen elektrischen Lichtern und ließ aus manchen Gebäuden, etwa der Moschee, sogar Sound erschallen.

International und digital

Irgendwann stieß Alex Pearson von der auf „Transmedia“ spezialisierten Kreativ-Agentur RedThread.Media über einen Beitrag der Journalistin Waad Al Kateab auf die Geschichte. Sie vernetzte ihn mit Mohammed Kteish und seinem Projekt. Sein reales dreidimensionales Modell wurde in eine virtuelle 3D-Welt übertragen. Vor allem als der Multimedia-Spezialist sah, wie Mohammeds Schwester Limar in diese virtuelle visionäre reale Stadt reinkippte, wurde der Gedanke geboren, das wäre ein Weg, wie Kinder aus grausamen realen Verhältnissen die Chance bekommen könnten, Kraft zu gewinnen, wenn sie sich eine neue, bessere Welt wenigstens auf diesem Weg bauen und damit Hoffnung für eine Zukunft gewinnen, meint Pearson zum Kinder-KURIER.

Mohammeds Aleppo und die Stadtteile anderer Kinder und Jugendlichen aus dem Flüchtlingslager gibt es nun online zu durchwandern. Auf der Homepage erklärt der Jüngst-Architekt und –Stadtplaner auch seine Gedanken. Von der Website kann auch die App – für Android-Smartphones – runtergeladen und sozusagen sein neues Aleppo in virtueller Realität durchwandert werden.

Die Agentur begann aber auch Workshops zu organisieren, wo Mohammed Kteish mit Kindern und Jugendlichen anderer Länder eigene Häuser und anderes für eigene Stadtteile baut. In Schweden und Großbritannien gab es solche schon, derzeit laufen sie in Wien, im Kindermuseum ZOOM. Allerdings erhielt der junge Syrier kein Visum für die Einreise nach Österreich ;(

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Workshops im ZOOM Kindermuseum (Wien)

Beim Lokalaugenschein des Kinder-KURIER im Workshop im Zoom waren Jugendliche der 2a der Neuen MittelSchule Lortzinggasse (Wien-Penzing) am Bauen von Häusern für einen Stadtteil. Emanuela und Ezgi bauten einen rosa und einen blauen Turm, die mit einer pinken Brücke verbunden sind. „Love Bridge“ nennen sie die Verbindung zwischen dem Mädchen- und dem Buben-Internatsturm. Ebat, seit zwei Jahren in Wien lebender Flüchtling aus Afghanistan, baute an einem Wohnhaus mit, andere fabrizierten in ihrer Gruppe ein Hotel. Angelina, Bojana, Nur und Johanna gestalteten ein glänzendes Shopping-Center – „aber nur für Mädchen“, wie die vier dem Kinder-KURIER verraten.

Skypen

Gegen Ende des Workshops wurde via Skype eine Verbindung mit Mohammed Kteish in der Türkei aufgebaut. Zuerst wollte er sehen, was die Jugendlichen in Wien gebaut hatte. Der Reihe nach hielten sie ihre Werke in die Kamera – was jeweils für erfreutes, mitunter auch erstauntes Lächeln des weit entfernten Gegenübers sorgte.

Und dann ging’s ans Fragen. Erst noch schüchtern – und über die Dolmetscherin ins Arabische übersetzt, tauchte die Frage auf, ob der Bursch in die Schule gehen kann und ob er Türkisch lerne. Zuerst zaghaft, aber dann immer flotter begann nun Ezgi, die mit dieser Sprache und Deutsch aufwächst, die Konversation zu übernehmen. Zwischendurch wollte einer der Wiener Jungs wissen, ob ihr nur wenige Jahre älterer Kollege am anderen Ende der Verbindung, der da aus dem Monitor sprach, einen Lieblings-Fußballverein habe. „Barcelona“ übernahm dieser volley.

Zurück zu seiner Arbeit: „Mit fünf Jahren habe ich begonnen viel und gern zu zeichnen und zu basteln – aus allen möglichen Materialien. Und ich möchte Architekt werden“, erzählt er. Sein Herzenswunsch, am Wiederaufbau der zerstörten Heimatstadt mitzuwirken soll nicht zuletzt durch diese internationalen Workshops und die damit verbreitete Idee verwirklicht werden. Und der dankt allen Kindern und Jugendlichen, die sich sein Projekt anschauen und selber in Workshops Bau-Ideen beisteuern.

www.futurealeppo.com

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Fotos vom ersten Workshop im Zoom Kindermuseum (Wien)

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