Kiku

Sie bauen den Werkstatt-Himmel voller Geigen

Klosterneuburg, Hermannstraße, eine Neubausiedlung. Hinter dieser verbirgt sich ein Überbleibsel der Spedition Zeisel, die auf dem Gelände des heutigen Neubaus über fünf Generationen hinweg Fuhrwerke der jeweiligen Zeit über die Straßen schickte. In diesem „Überbleibsel“ logiert seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten eine ganz besondere Werkstatt. Martin Koch baut hier schon lange Geigen, seit weniger als einem Jahr werkt hier auch die junge Maria Gruber. Kinder-KURIER und schauTV durften den beiden sozusagen auf die Finger schauen. Denn die Herstellung einer – guten – Geige ist nach wie vor Handarbeit, auch technisch kaum anders als vor hunderten von Jahren. Natürlich konnten wir nicht die Herstellung einer ganzen Geige verfolgen. In der stecken in der Regel gute ganze vier Wochen Arbeit. Aber der Meister, der seit mehr als vier Jahrzehnten sein Kunsthandwerk ausübt und aus dem Schwarzwald nach Klosterneuburg übersiedelte, zeigt und erklärt uns detailgenau die einzelnen Schritte.

Alle Inhalte anzeigen

Aufs Holz kommt’s an

Handarbeit, viele kleine metallene Werkzeuge und vor allem Holz. Gut abgelagertes, mehrere Jahre (sieben bis zehn) liegen oder stehengebliebene tortenförmig aus gefällten Fichten- bzw. Ahornstämmen geschnittene Stücke bilden die Basis, erstere für die Decke, Zweitere für den Boden.

Aus den langen Tortenstücken werden jeweils zwei an der Außenkante fest zusammengeleimt. Der Leim besteht im Wesentlichen aus Knochen und Haut und wird im Wasserbad erwärmt. Sind die Teile fest verleimt, wird gehobelt. „Schleifpapier zerkratzt das Holz, drum wurde auch bei alten, wertvollen Möbeln immer nur geschnitten.“ Hobel und Hobelchen unterschiedlichster Größe, eher fast Kleinheit kommen zur Anwendung. Wenn’s dann in Richtung Endfertigung geht, schneiden Geigenbauer_innen auch schon mal mit noch feinerem „Werkzeug“, vor allem feinen, unterschiedlich gebogenen, sehr scharfen Zieh-Klingen oder der Länge nach aufgeschnittenen Schachtelhalmen. Martin Koch stieß in der Literatur darauf, dass manche Geigenbauer dafür auch Haifischhaut eingesetzt haben und hat hin und wieder damit experimentiert.

Alle Inhalte anzeigen

Holz biegen

Sind Boden und Decke – wenige Millimeter dünn – fertig gebaut, geht’s an die sogenannten Zargen – die geschwungene Verbindung zwischen oben und unten. Dazu müssen dünne Plättchen feucht und heiß gemacht werden, um sie biegen zu können. Für diesen „Zargenkranz“ wird zunächst eine Hilfskonstruktion gebaut, um diesen in seine Form bringen zu können. Die muss danach wieder – natürlich vorsichtig – aus dem Inneren entfernt werden.

Boden, Decke und Zargen zu verleimen, würde aber noch lange keinen fertigen Geigenkörper ergeben. Knapp am Rand der Decke werden kleine Rillen eingeschnitten, die „Adergräben“. In diese werden dünne, dunkle Holzbändchen eingelegt wie bei sogenannten Intarsien.

Alle Inhalte anzeigen

Hals und Schnecke

Natürlich braucht der Körper auch noch den sogenannten Hals – über den das Griffbrett (aus Ebenholz) kommt über das die Saiten vom Körper aus weiter gespannt werden - samt Wirbelkörper – in dem die „Stellschrauben“ montiert werden, mit deren Hilfe die Saiten durch unterschiedliche Spannung zu stimmen sind, und die „Schnecke“, das geschwungene Ende des Instruments. Oder sein Anfang ;)

Sowohl der Körper als auch der Hals samt Schnecke müssen so gebaut und verleimt sein, dass der doch recht kräftige Zug der Saiten – „da kommt eine kraft von bis zu 28 Kilopond ins Spiel“ – auszuhalten ist.

Alle Inhalte anzeigen

„Mumifizieren“

Ein solchermaßen einigermaßen fertige „Weißgeige“ spielt junge Mitarbeiterin, Maria Gruber, für die Kamera an. Bis zu einem gewissen Grad, würde die schon ganz gut klingen, erklären uns die beiden. „Aber das Holz muss einerseits konserviert, ja mumifiziert werden. Je älter eine Geige ist, desto besser wird sie“, so der Meister. Dazu dient der Lack. Für den werden aus einem anderen Raum der Werkstatt unterschiedlichste Gläser, Dosen, Sackerl herbeigeschafft. Der Inhalt reicht von Benzoe, einem vanilleartig reichenden Tropenholz-Harz über „Drachenblut“, ebenfalls einem Harz, bis zu Myrrhe, Colofonium, Propolis und Leinöl. Der Lack ist bei Weitem nicht nur fürs Auge, sondern hat auch einen wichtigen Einfluss auf den Klang, „wie eine Art Filter“ (Martin Koch).

So eine fertige Geige, in der ja immerhin gut ein Monat intensive Arbeit steckt, kostet dann schon so zwischen 10.000 und 15.000 Euro. Weshalb viele – insbesondere zu Beginn – natürlich Geigen, Bratschen, ein Cello oder einen Kontrabass – eher einmal ausborgen. Natürlich gibt es auch billige Massenfertigung, „aber selbst bei diesen müssen viele Schritte auch von Hand gefertigt werden“, so der Meister. Da wird dann in großen Manufakturen in Ostasien manches maschinell zugeschnitten, aber auf billigste Arbeitskräfte für die Fertigung zurückgegriffen.

Alle Inhalte anzeigen

Reparatur

Bevor Maria Gruber einige „Verletzungen“ zeigt, die sie hier gesund pflegt – Reparatur ist das Hauptgeschäft der Werkstatt – zeigt sie Teile, die sie zu einer eigenen Geige bauen wird. Dafür hat sie ganz besonderes Holz ausgesucht, das von einem Vogelahornbaum. Der Name geht auf das Muster dieses Holzes zurück – viele kleine augenartige Kreise. Und „ich bau den Boden aus einem Stück, nicht aus zwei verleimten“.

Alle Inhalte anzeigen

Früher Berufswunsch später verwirklicht

Als 6- bis 7-jähriges Mädchen wollte sie Geige spielen und hat sich beim Kauf ihres Instruments in einer Werkstatt sozusagen in diese verliebt. „Eigentlich wollte ich ab da schon irgendwie Geigenbauerin werden. Hab dann zwar auch in verschiedene andere Berufe reingeschnuppert und dann eine Tischlerlehre gemacht, aber danach doch noch in Mittenwald (Bayern) die vierjährige Instrumentenbauschule besucht. Wien hat sie angezogen, hier lebt sie und hat im Vorjahr in Klosterneuburg ihren Arbeitsplatz gefunden.
Über ihrem Arbeitsplatz hängen schon fertig gebaute Violinen. „Und was gibt es Schöneres als wenn du wo arbeiten kannst, wo der Himmel sozusagen voller Geigen hängt.“

DIE Geigenbauer schlechthin

Der wohl berühmteste Geigenbauer Antonio Stradivari (1644, andere sprechen von 1648 bis 1737) hat kaum anders gearbeitet. Gut, die Inspirationsquellen für seine Arbeit waren andere als heute ;) Und er hat in besonderer Meisterschaft und lebenslangem Fleiß die Jahrhunderte lange Entwicklung dieses Instrumentes zu seinem Höhepunkt gebracht. Seine Konstruktionen sind neben der anderer Meister, seiner Zeit, wie Jakobus Stainer und die Meister der Guarneri-Familie immer gültige Vorbilder für alle späteren Geigenbau-Generationen bis heute.

Follow@kikuheinz

https://www.streichinstrumente.at/

 

Hier der Beitrag von schauTV

gedreht von Wolfgang Semlitsch

Alle Inhalte anzeigen