Erinnern und gedenken, um Wiederholung zu verhindern
Von Heinz Wagner
Donnerstagvormittag wurde in Wien-Josefstadt vor der Handelsakademie am Hamerlingplatz eine große Messing-Gedenktafel enthüllt: „Niemals vergessen – Zur Erinnerung an alle im Nationalsozialismus Vertriebenen und Ermordeten der Vienna Business School Hamerlingpaltz“. Mit dabei als Gäste waren u.a. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SP), der in seiner Jugend diese Schule besucht hatte, und Bezirksvorsteherin Veronika Mickel-Göttfert (VP) sowie die einstige Nationalratsabgeordnete Irmtraut Karlsson (SPÖ) als Vorsitzende des Vereins „Steine der Erinnerung Josefstadt“ und Margit Fischer (Vorsitzende des ScienceCenter-Netzwerks) – sie stand als Zeitzeugin zur Verfügung – und hat in dieser Schule den kaufmännischen Teil des Meisterprüfungskurses (Weberei) absolviert.
Abrundung eines umfangreichen Projekts
Die Gedenktafel und ihre Enthüllung waren der Abschluss eines rund 1 ½-jährigen Diplomprojekts der vier Schülerinnen Sabrina Gaal, Rebecca Campa, Maya Naydenov und Theresa Galavics, die die Vergangenheit der Schule und den Ausschluss mehrerer Dutzend Schüler in der Nazizeit erforscht hatten (der KURIER berichtete). Die Jugendlichen hatten in Archiven, Online-Datenbanken und vor allem den Jahreskatalogen der Schule recherchiert. 13 Prozent der Schüler (bis 1978 eine reine Bubenschule) wurden aus dem Klassenverband ihrer Mitschüler herausgerissen.
Kein Platz für Rassismus!
„Es macht mich stolz, Bürgermeister einer Stadt zu sein, die sich sehr für unsere demokratischen Werte einsetzt, in der Antisemitismus, und ich möchte hinzufügen Rassismus, keinen Platz haben.“ Gerade aber das Erinnern an den Holocaust sei notwendig, damit sich solche Verbrechen nicht wiederholen, so Ludwig und Wien die offene, liberale Stadt bleibe, in der die unterschiedlichsten Lebensentwürfe – ob religiös, politisch oder von der sexuellen Orientierung Platz haben.
Dass wir uns an die Verbrechen des Holocaust erinnern, ist ganz wichtig für das kollektive Gedächtnis der Stadt“, sagte Bürgermeister Dr. Michael Ludwig anlässlich der feierlichen Enthüllung des Gedenksteins.
„Der Schulbetreiber begrüßt diese Initiative der Schülerinnen. Das frühere friedliche Miteinander von Schülern, Schülerinnen, Lehrern und Lehrerinnen wurde 1938 jäh unterbrochen. Wir sollten diese Ereignisse niemals vergessen“, so Helmut Schramm, Präsident des Fonds der Wiener Kaufmannschaft.
Bekenntnis zur Mitverantwortung
„Unser Erinnern ist ein Bekenntnis zur Mitverantwortung für das Leid, das unseren jüdischen Schülern angetan wurde. Erinnern kann keine Menschen ersetzen. Dieser ‚Stein des Erinnerns‘ soll den Opfern ein respektvolles Gedenken bewahren. In unserem schulischen Wirken muss die Würde der Menschen, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gefestigt und gesichert werden“, so die Schuldirektorin, Monika Hodoschek. Sie hatte sich von der Idee Irmtraud Karlsson vom Verein „Steine der Erinnerung Josefstadt“ anstecken lassen und in den genannten vier Schülerinnen (unterstützt von den Lehrkräften Silvia Schmidt, Anna Wassef und Bettina Samhaber) extrem engagierte junge Geschichts-Forscherinnen und Veranstaltungsorganisatorinnen.
Leergelassene Plätze
Im ersten Teil der Veranstaltung im Festsaal präsentierten die Schülerinnen Gaal, Campa, Naydenov und Galavics anderen Schüler_innen die wichtigsten Ergebnisse ihrer Arbeit. Dabei hatten sie einige Sitzplätze im Saal bewusst leer gelassen, manche davon mit schwarzem Stoff überzogen und einer weißen Rose belegt. So wurde noch nachvollziehbarer, was es bedeutet, wenn aus der Mittel der Klassen- und Schulgemeinschaft Mitschülerinnen gerissen und viele davon ermordet wurden.
Hoffnung
Trotz des traurigen Anlasses sollte die Gedenkveranstaltung im Sinne des Erinnerns, um Grausames zu verhindern, auch Hoffnung ausstrahlen. Für diese Klammer sorgte das künstlerische Rahmenprogramm. So spielte David Canlas, der seit neun Jahren Klavier spielt, eine Eigenkompostion mit dem Titel „Hope“ (Hoffnung). Und unten vor dem Schultor spielte Fanny Kira Reiser auf ihrer Geige „Israelki Concertiono Hora-Hatikva“ (haTikwa – Hebräisch für Hoffnung). Die vier Projektschülerinnen lasen dann zum Abschluss noch Erich Frieds Gedicht „Gegen Vergessen“.