Endlich Klos und Duschen - sicher vor Schlangen und Skorpionen
Von Heinz Wagner
40 Familien aus der untersten, ausgegrenzten Schicht konnten vor nicht allzu langer Zeit in der Umgebung von Guntur (Indien, Bundesstaat Andrha Pradesh) in feste Häuser einziehen. Erstmals haben sie in diesen auch Klos und Duschen. Insbesondere Frauen sind nicht mehr Anfeindungen ausgesetzt, wenn sie sich wie zuvor in irgendwelchen Wasserlacken reinigen oder zwischen Reisfeldern ihre Notdurft verrichten mussten.
Vor Kurzem besuchte der bekannte Kabarettist Werner Brix dieses Dorf. Es ist das vierte, das unter anderem mit Spenden aus Österreich aufgebaut werden konnte. Diese Spenden kommen einerseits aus einer von Brix initiierten Veranstaltungsreihe „Zum Tod lachen“ (26. November 2019 im Globe Wien mit Tricky Niki, Gregor Seberg, Andreas Vitasek, Werner Brix, Christoph Fritz, Wiener Blond) und andererseits von der größten Schul-Charity Österreichs, dem „Theaterhotel“.
Schul- und andere Charitys
Verbindungsglied der beiden engagierten Initiativen war der geniale (2011 verstorbene) Schauspieler Otto Tausig, der sich Zeit seines Lebens sozial und politisch engagierte. Er selbst konnte der Verfolgung durch die Nazis nur entkommen, weil ihn (1922 geboren) seine Eltern mit einem der Kindertransporte nach England geschickt hatten.
Brix hatte 2012 mit den Einnahmen der Veranstaltung „Zum Tod lachen“, die er 2008 zum ersten Mal mit Kollegen initiierte und bei der damals Texte von Künstlern vorgetragen wurde, die in den 30er-Jahren von den Nazis verfolgt worden waren, etwas Soziales tun wollen. Tausig, den er fragte, verkuppelte ihn mit dem „Theaterhotel“, bei dem jährlich Jugendliche der Tourismusschule Bergheidengasse rund 1000 Gäste bewirten und mit Kulturprogramm versorgen. Tausig, damals Schirmherr und „Pate“ der Veranstaltung, hatte ein Projekt in Indien, das er schon länger unterstützte, vorgeschlagen. Damals war Kindern, die davor in Steinbrüchen arbeiten mussten, der Schulbesuch ermöglicht worden.
Feste Häuser
Seit 2012 gibt es ein neues, nachhaltiges Ziel für Entwicklungshilfe: Die VRO – Village Reconstruction Organisation (die es seit mehr als 40 Jahren gibt), wo es darum geht, ganze Gemeinschaften jeweils in ein Dorf mit festen Häusern einziehen zu lassen. Diese bedeuten nicht nur eine extreme Verbesserung der hygienischen Standards, sondern auch, sicher zu sein vor Schlangen, Skorpionen und Ratten. So ein Haus kommt in Summe auf etwa 4000 Euro.
Die Hälfte dieses Betrages wird über die Spenden aus Österreich finanziert. Die anderen 2000 Euro werden von den Behörden der Region beigesteuert und ein Viertel, also 1000 Euro müssen die neuen Bewohner_innen selbst aufbringen. Dies sieht das Konzept der VRO vor, um eine hohe Identifikation der Menschen mit ihrem Haus zu fördern.
1000 Euro, so Werner Brix, „sind für die Leute ganz schön viel Geld, das bewegt sich in etwa schon in der Größenordnung, die bei uns Menschen aufbringen müssen, um sich ein kleines Eigenheim zu schaffen.“ Die VRO streckt den neuen Dorfbewohner_innen oftmals diesen Betrag vor, den sie dann kleinweise abstottern.
Berufsausbildungen
Diese neuen Dörfer sind oft mehr oder minder inmitten der Reisfelder auf dann noch extra aufgeschüttetem Land. Neben den Wohnhäusern zählt auch eine sogenannte Community Hall zu diesen neuen Dörfern, in denen unter anderem am Abend Kinder nach der Schule Lernhilfe erhalten. Außerdem bietet die VRO den Dorfgemeinschaften Ausbildungen für ihre Mitglieder, die in der Regel alle aus der untersten Kaste der Unberührbaren – auch wenn das Kastenwesen offiziell längst verboten ist - an. Viele Frauen erlernen Schneiderei oder Krankenpflege, Männer meist Tischlerei, Elektriker oder Handy-Reparateur.
Viel mehr als feste Häuser
Somit sind diese Dorfprojekte weit mehr als die Übersiedlung in erstmals feste Häuser. Und so „nebenbei“ erzählen die Neo-Dorfbewohner_innen Werner Brix bei einem Fest zur Einweihung, dem er beiwohnen konnte, „steigt auch der Respekt anderer uns gegenüber. Wenn du ohne festes Dach über dem Kopf, auf Land-unter-Böden irgendwo hausen musst, wurden wir als das Letzte vom Letzten behandelt. Jetzt sind wir Menschen, die sogar von anderen in der Umgebung gegrüßt werden.“