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Comedy: Lehrer oder Schulwart - wer hat den härteren Job?

„Ich bin der Baumeister der Zukunft!“, so der eher zurückhaltende Lehrer fast triumphierend zu seinem Gesprächspartner auf der Bühne.

„Für Putzen musst du schon studieren! Oder wissen Sie, welches Putzmittel man für die Fliesen, welches für die Metall-Brandschutztüren, für den Granulat-Boden … verwendet? Na eben. Und Sie haben so viel Urlaub!“ So ungefähr kontert die Plaudertasche, von Beruf Schulwart. Pardon „Facility Manager“ wie solche Jobs im Management-Neu-Deutsch nicht selten genannt werden.

Fast wie eine Wette, wer den schwierigeren Job hat, gestaltet sich die erste Szene von „Schule des Kriechens“ – zu sehen am kommenden Wochenende (22./23. August 2020) beim Wiener Kultursommer.

Na, wenn’s so einfach ist, dann solle er es doch einmal probieren – und schon hält der Schulwart dem Pädagogen Besen und Arbeitsjacke hin. Und schlüpft selbst in die Rolle – gleich des Direktors. Fast eher Sklaventreibers.
Mit Wortwitz, der sich teils aus gespielten Missverständnissen speist wie Last und Rast, und Situationskomik wird schon dieser Konflikt um den härteren Job humorvoll gewürzt.

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Vielfalst statt Einbildung

Bei einer späteren Szene bleibt das Lachen dann mitunter im Hals stecken. Wenn die ach so aufgeschlossene Lehrerin die Kinder der multikulturellen Klasse zum „Tag der Vielfalt“ begrüßt. Die Kinder sollten alle Speisen „von zu Hause“ mitbringen. Und schon macht sie Ahmed fast zur Sau. „Pizza, was soll das? Ihr hattet nichts zu rechnen, nichts zu schreiben, nur irgendwas von zu Hause mitzubringen!“ schlägt sie die Hände über dem Kopf zusammen. Und will nicht und nicht verstehen, wenn ihr dieser Ahmed erklärt: „Mein Vater arbeitet in einer Pizzeria und wir essen zu Hause sehr oft Pizza.“

Aber wo du herkommst, sei doch gemeint gewesen. „Ich komme aus Ottakring.“
„Und deine Eltern?“
„Auch aus Ottakring.“

„Aber wo sind die geboren?“
„In Alexandria.“

„Und wo liegt das?“
„In Ägypten.“
„Und was isst man dort?!“
„Ich weiß es nicht, ich war noch nie in Ägypten!“

So und ähnlich macht die Lehrerin, die ausstrahlt, als würde sie selbst glauben, aufgeschlossen zu sein, deutlich, dass sie ihre Schüler_innen so ziemlich wenig interessieren.Eben diese und etliche der folgenden Szenen sind sowohl schon vom Text her, aber erst recht durch das Schauspiel bissig witzig. Nicht 1:1, aber doch Ähnliches haben einige des Teams - Olja Alvir, Zoran Bogdanović, hackler Branko (Branislav Floranović), und Melika Ramić bzw. Imre Lichtenberger Bozoki (die beiden wechseln einander bei den zwei Vorstellungen ab) -, das „Schule des Kriechens“ spielt und selbst gemeinsam – vieles über Improvisieren – erarbeitet, erlebt. Und sind damit wahrlich keine Einzelfälle.

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Ethno-Komödien

Die aus dem Boden gestampfte Plattform Kultursommer mit Auftrittsmöglichkeiten für rund 2000 Künstler_innen auf 25 Bühnen – viele davon in Außenbezirken (bis Ende August) hat den vom Lockdown schwer getroffenen Kulturschaffenden ebenso wie Publikum Kulturarbeit bzw. -konsum ermöglicht. Neben der Möglichkeit, schon (fast) fertig Geprobtes endlich zu zeigen, wurde die eine oder andere Produktion genau dafür erst geschaffen, manche auch angeregt oder beauftragt.

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Mehrsprachig

Nach der im Wiener türkisch-kurdischen Milieu angesiedelten Sitcom „Emre will Hodscha werden / Emre hoca olmak istiyor“ (Ilios Théâtre) spielt die nächste Ethno-Komödie im Jugo-Umfeld statt. So nennen sich viele der Community aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien. Im Alltag bezeichnen die einen die einst gemeinsame Sprache noch immer als serbokroatisch – obwohl sich seit dem Krieg die beiden Sprachen auseinanderentwickeln. Die offizielle Bezeichnung BKS (Bosnisch/Kroatisch/Serbisch) verwendet selten wer. Viele sagen „unsere Sprache“. Und diese wird im Stück ebenso neben Deutsch verwendet wie als dritte Romanes, die Sprache der Roma und Sinti.

Letztere beherrscht Zoran Bogdanović, der den Schulwart aus der ersten Szene spielt. Der langjähriger Jugendarbeiter, seit zwei Jahren Freizeitpädagoge in einer Volksschule, kennt die Bühne bisher als Musiker und Tänzer. Schauspiel ist für ihn ein neues Metier. Ebenso für Olja Alvir, die bisher vor Publikum eher aus eigenen Texten gelesen hat. Den Lehrer aus der Eingangsszene spielt Branislav Floranović, mit Künstlernamen hackler Branko. Er hat schon als Kind im heutigen Serbien in einem Wahlpflichtfach Theater gespielt, war später in Graz beim Theater im Bahnhof aktiv, hat für Kino- und TV-Filme gedreht – „aber schon viele Jahre fast nicht mehr, ich muss mein Leben mit anderen Jobs finanzieren“. Er bringt an manchen Stellen auch rumänische Wörter ins Spiel, „ich bin eigentlich ein Vlache“, eine romanisch/rumänsich sprechende Minderheit in vielen Ländern Südosteuropas. Die vierte im Bunde der „Schule des Kriechens“ ist mit Melika Ramić eine seit einiges mehr als zehn Jahren an verschiedensten Theater in Österreich, Deutschland und Belgien tätige Regisseurin/Regie-Assistentin.

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Schule des Kriechens
Von und mit: Olja Alvir, Zoran Bogdanović, hackler Branko (Branislav Floranović), und Melika Ramić/ Imre Lichtenberger Bozoki (die beiden spielen je eine der Vorstellungen - Info kam erst Stunden nach der Veröffentlichung, weshalb es erst nachträglich ergänzt wurde)

Wann & wo?
Kultursommer Wien

Achtung: Nur am Sonntag, zuvor angekündigter Samstag-Termin fällt aus! Und auch der gestern neu verbreitete am 27. August fällt aus.

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