Zukunftshoffnung: Neue Organe aus dem Labor
Von Ernst Mauritz
Es waren nur wenige Stunden, aber immerhin: Eine „gezüchtete Lunge“ aus menschlichen Zellen hat einem Schwein für eine kurze Zeit eine Sauerstoffaufnahme ermöglicht – in einem geringeren Ausmaß zwar als eine normale Lunge, aber trotzdem ausreichend.
Dieser Erfolg ist im Vorjahr dem Labor des aus Tirol stammenden Harvard-Professors und Thorax-Chirurgen Harald C. Ott gelungen. Er arbeitet im Massachusetts General Hospital in Boston , USA, als Thorax-Chirurg und leitet an der Harvard Medical School ein Labor für Organzüchtung und Regeneration (Ott Laboratory for Organ Engineering and Regeneration). Bei der Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (Lungenheilkunde) in Linz präsentierte er den aktuellen Forschungsstand.
KURIER: Ihr Labor gibt es seit zehn Jahren. Welche Fortschritte gibt es seither auf dem Gebiet der Ersatzorgane?
Harald C. Ott: Vor zehn Jahren haben wir mit Rattenzellen gearbeitet. Heute können wir die Grundbausteine von einem bestimmten Menschen – etwa Nieren- oder Lungenzellen – selbst herstellen. Wir verstehen auch die Prozesse besser, wie sich aus einzelnen Zellen dreidimensionale Organe entwickeln. Aber in der Praxis ist es noch schwierig, solche Strukturen herzustellen. Wir haben sozusagen genug Ziegel für den Hausbau, aber sie liegen noch alle auf einem Haufen. Sie nach einem Plan aufzubauen, fällt uns noch schwer – aber wir lernen das immer besser. Der Lungenlappen, den wir aus menschlichen Zellen hergestellt und in einen Schweineorganismus transplantiert haben, hatte bereits die richtige Größe.
Warum sind diese Ersatzorgane noch nicht im Einsatz?
Das Gewebe ist noch unreif und noch nicht ausreichend durchblutet. Dadurch ist es auch noch nicht dicht genug, es dringt Flüssigkeit ein, Ödeme – Flüssigkeitsansammlungen – bilden sich. Deshalb versagen diese Organe nach wenigen Stunden. Derzeit arbeiten wir daran, die Reifung der Organe zu verbessern – außerhalb und auch innerhalb eines Organismus.
Wie lange schätzen Sie, wird es bis zum Einsatz beim Menschen dauern?
Ich rechne mit ersten Einsätzen in 10 bis 15 Jahren. Gezüchtete Bauchspeicheldrüsen und Nieren werden wahrscheinlich die ersten Anwendungen sein. Denn sie müssen nur 15 Prozent der Funktion einer gesunden Niere erreichen, um einen Patienten von der Blutwäsche (Dialyse) wegzubekommen. Außerdem gibt es jederzeit als Sicherheitsnetz die Dialyse, so wie es bei der Bauchspeicheldrüse das Verabreichen von Insulin gibt. Deshalb wird es hier am schnellsten gehen.
Wie groß ist der Bedarf für solche Ersatzorgane?
Die Wahrscheinlichkeit, dass bei jemandem in meinem Alter in der restlichen Lebenszeit ein Organ versagt, liegt bei 25 Prozent. Und die Anzahl der Spenderorgane ist begrenzt. Weltweit werden pro Jahr an die 5000 Lungen transplantiert, aber im selben Zeitraum sterben mehr als drei Millionen Menschen an den Folgen einer chronischen Lungenerkrankung. Und die Wartezeiten sind oft lang. Deshalb werden sich sowohl biologische als auch maschinelle Organersatzmethoden weiterentwickeln – wie etwa künstliche Bauchspeicheldrüsen, die kontinuierlich den Blutzucker messen und die Daten an eine Insulinpumpe weiterleiten. Diese werden bereits in klinischen Studien getestet.