Wie es gelingt, ohne zuzunehmen so viel zu essen, wie man will
Von Ernst Mauritz
Javaneraffen sind Allesfresser. Ihre Hauptnahrung sind zwar Früchte, aber sie ernähren sich auch von Blättern, Pilzen, Insekten oder – am Meer – von Krebstieren. So gesehen waren sie ideale Versuchstiere für eine Studie der Wake Forest School of Medicine in den USA, die im Fachmagazin Obesity erschienen ist: 18 Affen erhielten eine mediterrane Kost mit viel Obst, Gemüse, Olivenöl, pulverisierten Nüssen sowie ein wenig Fisch und mageren Milchprodukten. Weitere 18 Tiere bekamen eine „westliche Ernährung“ mit Eiweiß, Fett (vorwiegend ungesättigte Fettsäuren) aus hauptsächlich tierischen Lebensmitteln. Die Mengen an Fett, Protein und Kohlehydraten waren allerdings pro Portion vergleichbar. Und beide Gruppen durften so viel essen, wie sie wollten.
Das Ergebnis nach 38 Monaten: Die mediterran ernährten Affen hatten dauerhaft weniger Kalorien zu sich genommen, waren schlanker, hatten niedrigere Blutfette. Die Tiere in der anderen Gruppe entwickelten hingegen Übergewicht, Insulinresistenz (eine Diabetes-Vorstufe) und bekamen eine Fettleber.
Für die US-Forscher ist diese Studie der erste Nachweis unter kontrollierten Studienbedingungen, dass mediterrane Ernährung vor Überkonsum, Übergewicht und Diabetes schützen kann – im Vergleich zur westlichen Ernährung.
Menschen schummeln
„Alle ernährungsmedizinischen Untersuchungen beim Menschen haben ja das Problem, dass man nie genau kontrollieren kann, was die Studienteilnehmer wirklich gegessen haben“, sagt Kurt Widhalm, Leiter des Österreichischen Akademischen Institut für Ernährungsmedizin (ÖAIE). Und Fragebögen werden nicht immer völlig wahrheitsgetreu ausgefüllt.
Trotzdem, meint Widhalm, habe man auch schon in früheren Untersuchungen gesehen, dass Menschen mit mediterraner Ernährungsweise abgenommen haben. Die geringere Kalorienaufnahme hänge wahrscheinlich auch mit dem höheren Anteil an Ballaststoffen zusammen, die länger satt halten. Freie Kohlenhydrate hingegen werden rascher abgebaut, der Hunger kehrt früher zurück.
Auf eine weitere mögliche Ursache für die geringere Kalorienaufnahme verweist Stoffwechselexperte Hermann Toplak von der MedUni Graz. „Es gibt die Hypothese, dass der Körper wertvolle Nährstoffe erkennen kann.“ Dadurch könnte aber ab einer gewissen Nährstoffaufnahme das Verlangen nach mehr geringer sein – und das Essverhalten leichter kontrollierbar sein. „Ich sehe das auch bei meinen Patienten: Die, die es schaffen, hochwertigere Lebensmittel zu essen, essen in der Regel auch weniger – wenn sie es bewusst tun.“
Natürlich, betonen die Experten, können die Ergebnisse von Tierstudien nicht so einfach auf Menschen umgelegt werden. Toplak: „Und diese Affen standen auch nicht unter Stress – wir wissen alle, dass das Bewusstsein für gesundes Essen besser ist, wenn man nicht unter Strom steht. Unbewusstes Essen beraubt mich der Kontrolle.“ Trotzdem sei das Ergebnis interessant. Und Toplak betont noch etwas: „Man muss nicht ,fressen‘, um dick zu werden. Ein Glas Orangensaft täglich zusätzlich zur bisherigen Ernährung kann bei guten Nahrungsverwertern ausreichen, um innerhalb eines Jahres vier Kilo zuzunehmen.“
Fettes, Süßes und Stress
Fettes und Süßes unter Stressbelastung zu essen könnte noch stärkere Auswirkungen auf das Gewicht haben als bisher schon angenommen: Das zeigt eine australische Studie mit Mäusen. Unter Stress produzierte ihr Körper mehr von einem Molekül, das den Appetit anregt. Chronischer Stress und fettreiche Nahrung aber führten dazu, dass der Körper die Produktion dieses Appetitmoleküls noch zusätzlich ankurbelte – weil ein „Stopp“-Mechanismus im Gehirn nicht mehr funktionierte. „Ein Teufelskreis“, wie Studienleiter Herbert Herzog sagte. „Wenn die Mäuse über einen längeren Zeitraum gestresst waren und kalorienreiche Nahrung verfügbar war, wurden sie noch rascher übergewichtig, als wenn sie dieselbe Kalorienmenge in stressfreien Umgebung konsumierten.“