Wissen/Gesundheit

Warum wir schlafen und worin der Nutzen der Nachtruhe liegt

Falls Sie in letzter Zeit Heißhunger auf fettige und ungesunde Lebensmittel verspürt haben, könnte das mit Ihrem Schlafverhalten zusammenhängen. Bereits nach nur einer durchwachten Nacht registrierten Forscher der Universität Köln bei Testpersonen veränderte Hirnaktivitäten.

Bei den Übermüdeten war das Belohnungssystem aktiviert worden. Ihnen waren Nahrungsmittel viel wichtiger geworden als den Ausgeschlafenen. Und: Sie waren bereit, dafür mehr Geld auszugeben. Schon frühere Studien hatten gezeigt, dass Schlafmangel ein körpereigenes Hormon für Hungergefühle ansteigen lässt, während es jenes für Sättigungssignale unterdrückt.

Immer genauerer Blick

Der Schlaf ist in den Blick der Wissenschaft gerückt, vor allem in den vergangenen 20 Jahren. Das zeigen zahlreiche und detailliertere Studien. Und sie belegen immer besser den Einfluss von Schlafdauer und Schlafqualität auf biologische Mechanismen. Der Nutzen eines guten Schlafs ist nicht zuletzt durch die Forschung erwiesen, betont der Neurowissenschaftler Matthew Walker: „Bisher über 17.000 sorgfältig geprüfte wissenschaftliche Studienberichte bestätigen das.“ Der Schlaf, schreibt er in seinem aktuellen Bestseller „Das große Buch vom Schlaf“, sei etwa „weitaus intelligenter, als wir uns das vorgestellt hatten“.

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Lernprozesse aktiv mit Schlaf unterstützen

Nehmen wir nur das Gehirn, ein besonders spannendes Forschungsobjekt für Schlafmediziner. Bis ins 21. Jahrhundert hatte man angenommen, im Schlaf erfolge eine allgemeine, unterschiedslose und damit unübersichtliche Speicherung sämtlicher Informationen, die man tagsüber lernt.

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Ein Experiment, das Walker in seinem Schlaflabor an der Elite-Universität Berkeley durchführte, zeigte Folgendes: Der Schlaf sei fähig, genau jene Informationen auszuwählen, die erinnerungswürdig sind. Die Studienteilnehmer konnten Wörter, die während eines vorherigen Lernprozesses mit „merken“ markiert worden waren, nach einem 90-minütigem Schlaf wesentlich besser abspeichern als die Vergleichsgruppe.

Gefährliche Folgen durch Schlafmangel

Fehlender Schlaf kann weit gefährlichere Folgen haben als den eingangs erwähnte Gusto auf ungesunde Lebensmittel. Eine Studie, die jüngst in Schweden veröffentlicht wurde, zeigt: 50-jährige Männer hatten bei regelmäßig fünf Stunden Schlaf ein doppelt so hohes Risiko für einen Herzinfarkt oder eine Herzattacke wie Gleichaltrige, die sieben bis acht Stunden schliefen.

Dehydrierung

Zu wenig Schlaf kann sogar zu einer Dehydrierung des Körpers führen, entdeckten Forscher an der Pennsylvania State University, die die Daten von 25.000 Personen auswerteten. Je kürzer die Nachtruhe war, desto höher ihre Dehydrierung, schreiben sie im Fachmagazin Sleep. Der Grund liegt im antidiuretischen Hormon, das den Flüssigkeitshaushalt reguliert – und nachts freigesetzt wird.

Schon lange ist in puncto Schlaf keine Rede mehr von einer Phase, die der Erfinder der Glühbirne, Thomas Edison, Anfang des 19. Jahrhunderts noch als Zeitverschwendung bezeichnete. Vor der er die Menschen übrigens mit dem künstlichen Licht bewahren wollte.

Glühbirne "optimierte" Schlafverhalten

Auch wenn diese Ansicht längst überholt ist: Edison hat durchaus etwas geschafft. Seine Erfindung veränderte, im Zusammenspiel mit der etwa zeitgleichen Industrialisierung, die Lebensrhythmen der Menschen nachhaltig. Eine „Optimierung des Schlafverhaltens“ nennt es die Historikerin Hannah Ahlheim in ihrem neuen Buch „Der Traum vom Schlaf im 20. Jahrhundert“.

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Ein Ergebnis davon: Die Schlafdauer hat sich kontinuierlich verkürzt. Schlief man in Deutschland vor Erfindung des elektrischen Lichts durchschnittlich neun Stunden, waren es in den 1970er-Jahren nur noch 7,5 Stunden.

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Veränderte Rhythmen

Die Erkenntnis, dass Schlafmangel negative Folgen hat, setzte sich nur langsam durch. Die fehlende Würdigung von Schlaf führt Walker auf das „biologische Geheimnis“, das der Nachtruhe lange anhaftete, zurück. Lange konnten Wissenschaftler seine Bedeutung und seinen Nutzen nicht erklären.

Krieg förderte Schlafforschung

Dass die Schlafforschung nach dem Zweiten Weltkrieg so richtig Fahrt aufnahm, ist für Hannah Ahlheim kein Zufall: Übermüdete Soldaten schossen schlechter, befanden die deutschen Kriegsverantwortlichen. Bei den Alliierten arbeiteten unausgeschlafene War Workers, die etwa in den USA Kriegsgerät produzierten, ungenauer.

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Bahnbrechend für die Wissenschaft war die Entdeckung der REM-Phasen 1953. Man stellte fest, dass jene Studienteilnehmer, die sie verpassten, einen schlechteren Gesundheitszustand aufwiesen.

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Dabei hätte man doch nur Shakespeare ernst nehmen müssen, meint Neurowissenschaftler Matthew. „Erstaunlicherweise wurden fast alle ‚neuen‘ Entdeckungen, die wir im 21. Jahrhundert zum Thema Schlaf gemacht haben, bereits 1611 in Macbeth erwähnt.“

Was er damit meint? Jene Szene, in der der Schlaf „als nährendstes Gericht beim Fest des Lebens“ beschrieben wird. „Die Wissenschaft hat also lediglich bewiesen, was Shakespeare längst über die Wunder des Schlafes wusste.“

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