Wissen/Gesundheit

Warum sich die Fast-Food-Maschinerie dringend ändern muss

Für seine Patenkinder war er der „Mäci-Onkel“: 13 Jahre lang arbeitete Harald Sükar, 56, für den größten Fast-Food-Konzern der Welt, drei davon als Chef von McDonald’s-Österreich. Nicht ungern, wie er betont. Warum er seine einstige Branche dennoch scharf attackiert, erzählt der Steirer im Interview.

KURIER: Herr Sükar, Sie haben McDonald’s vor 13 Jahren verlassen, arbeiten mittlerweile als Unternehmensberater. Warum kommt dieses Buch jetzt?

Harald Sükar: Das hat persönliche Gründe. Vor zwei Jahren war ich körperlich am Ende, ich wog 110 Kilo, obwohl ich früher Marathon gelaufen bin. Ich habe mich dann intensiv mit Ernährungsstudien befasst und gemerkt, dass das, was ich früher verkauft habe, ungesund oder sogar gesundheitsgefährdend war. Einige Kinder in meinem Umfeld haben dann auch noch Diabetes bekommen, ein Achtjähriger hat eine nichtalkoholische Fettleber vom Zuckerkonsum. Da hab ich gedacht, wenn ich schon früher nichts gemacht habe, muss ich jetzt etwas tun.

Dass Pommes und Burger ungesund sind, wird Ihnen während 13 Jahren im Management eines Fast-Food-Riesen ja nicht entgangen sein ...

Letztendlich habe ich die Aussagen, die diese Konzerne ja heute noch tätigen, selber geglaubt. Ich reduziere sie auf drei Hauptargumente: Das erste ist die Eigenverantwortung – es wird ja niemand gezwungen, zu uns zu kommen. Dass wir aber perfektes Marketing betrieben haben und man von Zucker richtig süchtig werden kann, war mir nicht in dem Ausmaß bewusst. Das zweite ist: Man muss sich nur um eine ausgewogene Kalorienanzahl bemühen, dann ist Fast Food kein Problem. Faktum ist aber, Kalorie ist nicht gleich Kalorie. Die Unmengen Kalorien, die im Fast Food stecken, sind wertlos, weil sie keine Nährstoffe enthalten. Das dritte Argument ist, dass die Leute ja nur genug trainieren müssen, um nicht zuzunehmen. Auch das ist durch Studien mittlerweile widerlegt. Sport ist gesund, aber hat für das Gewicht rudimentäre Bedeutung.

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Die Zahlen zeigen, dass vor allem die lifestylebewusste Instagram-Generation Ketten wie McDonald’s zunehmend verschmäht. Ist ein Kurswechsel hin zu mehr Gesundem nicht ohnehin unausweichlich?

Im Zuge meiner Recherchen bin ich auf eine McDonald’s-Filiale in Australien gestoßen, die eine völlig andere Produktpalette eingeführt hat, da gibt’s jetzt Salate mit Quinoa und Tofu. Auch von außen erinnert nichts mehr an die typische McDonald’s-Optik, statt dem gelben Logo gibt es nur noch einen schwarz-weißen Schriftzug. Ich glaube schon, dass die Konzerne beginnen, Alternativen zu suchen. Es wäre auch dumm, diesen Trend zu ignorieren. Drastische Änderungen wird es aber erst geben, wenn der öffentliche Druck zunimmt. Das sieht man am Beispiel England, wo 2018 eine Zuckersteuer auf Getränke eingeführt wurde. Und siehe da, Coca-Cola war in der Lage, den Zuckergehalt seiner Drinks zu senken und unter die Steuergrenze zu kommen. Das haben sie aber nur dort gemacht, wo sie unter Druck waren. In Österreich und Deutschland haben wir nach wie vor die hohen Zuckerwerte.

Was müsste sich konkret ändern – politisch und in den Konzernen selbst?

Von der Politik würde ich mir wünschen, dass sofort eine Zuckersteuer auf Softdrinks eingeführt wird. Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und Obst und Gemüse steuerlich entlasten. Was biologisch angebaut wird, hätte gar keinen Steuersatz. Wenn das auch nicht ausreicht, soll auf jeder Packung Pommes, auf jedem Softdrink eine Warnung angebracht werden, dass das Produkt die Gesundheit gefährdet. Oder ein Foto von einem beinamputierten Kind. Wir haben eine Überfettung der Weltbevölkerung mit epidemischen Ausmaßen – erstmals gibt es mehr Übergewichtige als Unterernährte, das muss man sich einmal vorstellen. In Österreich haben wir offiziell 800.000 Diabetes-Erkrankte, jedes Jahr sterben 10.000 Leute an den Folgen. Eine Alternative zur Zuckersteuer wäre eine Ampelkennzeichnung, aber die hat die Industrie über Jahre verhindert. Alles, was über die empfohlene Tagesmenge hinausgeht, sollte ein rotes Ampelsignal bekommen. Zur Einordnung: Laut der American Heart Association sind 18 Gramm Zucker am Tag das Maximum für Kinder – 0,4 Liter Coca-Cola enthalten 42 Gramm.

Fettleibigkeit steigt auch bei den Jungen. Im Buch warnen Sie ausdrücklich, mit Kindern bei „Mäci“ zu essen. Dabei scheinen gerade diese McDonald’s besonders am Herzen zu liegen. Warum eigentlich?

Ganz einfach: Kriegst du die Kinder, kriegst du alle Kunden, weil die Eltern wollen, dass ihre Kinder glücklich sind. Wir haben genug alleinstehende Väter, die am Wochenende mit den Kindern zum Mäci gehen, dann sind alle zufrieden. Es gibt eine ganze Palette an Maßnahmen, die auf Kinder ausgerichtet sind: Kinder werden wie Erwachsene behandelt, sie können selber bestellen, haben das Gefühl, sie sind wichtig. In jedem Gasthaus müssen sie ruhig sitzen, hier können sie herumlaufen, es gibt einen Spielplatz und Geburtstagspartys. Pommes und Chicken Nuggets können sie mit den Fingern essen, beim Happy Meal wird quasi Spielzeug ins Essen gemischt. Das ist ein perfektes System.

Wie, glauben Sie, wird Ihr ehemaliger Arbeitgeber auf das Buch reagieren?

Eine Freude werden sie nicht haben, aber vielleicht regt es zum Nachdenken an. Das Buch geht ja nicht gegen McDonald’s im Speziellen, ich habe gerne dort gearbeitet – es geht gegen die Industrie und um bewusste Ernährung. Wenn auch nur ein Kind weniger an Diabetes erkrankt, habe ich mein Ziel erreicht.

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