St. Anna Kinderkrebsforschung: Große Erfolge für kleine Patienten
Von Ingrid Teufl
Dieter Wally wünscht sich, dass wir uns im St. Anna Kinderspital zum Interview treffen. Dort fühlt er sich sicher, dort hat er viel Zeit verbracht.
Als Kind monatelang als Patient – und jetzt, etwa zwei Jahrzehnte später, noch immer. Als „Suvivor“. So nennen sich die jungen Erwachsene, die in ihrer Kindheit an Krebs erkrankten, selbst.
15 Jahre war der Wiener HTL-Schüler alt, als bei ihm Morbus Hodgkins, eine Form von Lymphdrüsenkrebs, diagnostiziert wurde. Monate mit Chemo- und danach Strahlentherapie folgten. „In Summe habe ich ein halbes Jahr in der Schule versäumt.“ Noch heute erinnern ihn Narben am Hals, die d „Es war keine einfache Zeit. Aber zum Glück war die Therapie erfolgreich.“ Er hatte sich ein Ziel auferlegt - er wollte den Krebs besiegen:
Rückblickend findet er, die Diagnose „lockerer“ als seine Eltern aufgenommen. „Ich war ja auch als Kind wegen eines Immundefekts, der lange nicht entdeckt wurde, oft krank. Ich habe mir gedacht, das werde ich jetzt auch noch meistern. Es ist nur ein blöder Krebs.“
Ab 1970 Onkologie aufgebaut
Den bekämpfte er vor allem mit Hilfe der Krebsspezialisten im St. Anna Kinderspital in Wien, wo ab 1970 eine onkologische Abteilung aufgebaut worden war. Dass er, wie heute mehr als 80 Prozent aller Patienten im Kinder- und Jugendalter, diese schwere Erkrankung überlebt hat, ist zu einem großen Teil der Forschung zu verdanken.
Erstes Labor am Dachboden
Im St. Anna feierte man heuer das 30-jährige Bestehen der Forschungseinrichtung. Was damals mit einem Labor auf dem Dachboden des Kinderspitals begann, zählt heute zu einer weltweit renommierten Einrichtung. „In diesen Jahren gab es viele Bausteine, viele Schritte“, sagt Prim. Wolfgang Holter, wissenschaftlicher Leiter der Kinderkrebsforschung:
Oskar Haas, der seit den Anfangstagen hier an speziellen Leukämie-Arten forscht, betont die bahnbrechenden Veränderungen seither. "Damals war eine Zeit des Aufbruchs in der Behandlung von Leukämie." Durch die internationale Vernetzung ist Österreich auch als kleines Land in große, internationale Studien eingebunden.
„Wir können heute dank Techniken wie der Immuntypisierung bei der Diagnosestellung mancher Krebsarten eine prognostische Wahrscheinlichkeit definieren und damit die Behandlungsstrategie besser steuern.“ Vor allem in den vergangenen fünf Jahren wurden „ganz neue“ Therapieschemen entwickelt.
Gebäude wurde 2009 erweitert
Aus einem Labor mit einem Forscher am Dachboden ist am Wiener Alsergrund ein Betrieb mit 130 Mitarbeitern geworden. Statt am Dachboden forschen die Teams in einem modernen Gebäude direkt neben dem Kinderspital, das durch eine Glasbrücke verbunden ist.
Verbindung von Forschung, Therapie und Pflege
Dass die Behandlung einer Krebserkrankung nicht nur von der Therapie im Spital abhängt, weiß auch Pflegedirektorin Barbara Hahn. Die gelebte Nähe von Forschung und Behandlung sei vorbildhaft.
Versucht wird, die ganze Familie durch die Erkrankung zu betreuen, betont sie im KURIER-Interview.
Jährlich 120 neue Patienten
Jährlich werden 120 Familien neu erkrankter Kinder behandelt – meist über Jahre hinweg. „Die Behandlung ist nach der Akutbehandlung nicht abgeschlossen.“ Primar Holter: „Die kleinen Patienten und ihre Familien brauchen die Gewissheit, dass in ihre Behandlung die neuesten Entwicklungen und Forschungsergebnisse einfließen“, sagt Prim. Holter.
Eine Krebserkrankung in der Kindheit prägt einen Menschen unweigerlich. Dieter Wally, der ehemalige Patient, erinnert sich noch gut an diese Zeit – auch wenn er, wie er sagt, alles verarbeitet hat. „Es rührt nichts in mir auf, wenn ich zurückdenke.“
Was ihn damals am meisten belastete, war der Verlust des Geschmackssinns.
Wie es zum Forschungsinstitut kam
Erwin Senoner kam 1985 zum ersten Mal ins St. Anna, als Vater seiner an Leukämie erkrankten, sechsjährigen Tochter. „Damals war vieles erst im Aufbau, aber es mangelte auch an vielem. Ich fragte, womit ich helfen könnte und bekam zur Antwort: Mit einem Forschungsinstitut.“
Wie realisiert man ein Forschungsinstitut aus dem Nichts? „Das habe ich damals auch nicht gewusst“, erinnert sich Senoner. Begonnen hat er mit anderen engagierten Eltern in einem Elternverein. „Aber es sich dann viele Zufälle ergeben“, erinnert er sich im Interview.
Spenden gesammelt
Aus dem Elternverein, der heute noch unter dem Namen „Kinderkrebshilfe“ betroffene Familien unterstützt, entstand der Forschungsverein St. Anna Kinderkrebsforschung. „Sehr geholfen haben uns damals die Medien, dadurch ist der Spendenfluss in Gang gekommen.“
Vor allem kleine Spender waren es, die den jungen Forschungsverein ab 1986 unterstützten. „Groß gemacht hat uns der kleine Mann. Wir hatten eine Fülle von Kleinspendern, erst dann erhielten wir auch Spenden von größeren Spendern und erstaunlich viele Erbschaften. Das hat uns sehr, sehr geholfen.“
Leidenschaft für Herzensthema
Erwin Senoner strahlt Leidenschaft und Lebendigkeit aus – und er brennt noch immer für sein Herzensanliegen, die Forschung voranzutreiben. Auch wenn seine Tochter den Kampf gegen den Krebs nach drei Jahren verloren hat. Sie wurde neun Jahre alt. „Damals habe ich nicht alles hingeschmissen, sondern weitergemacht.“
Wenn er jetzt beim Rundgang mit dem KURIER-Team im St. Anna Forschungsinstitut auf die vergangenen 30 Jahre zurückblickt, wirkt er noch immer ein wenig ungläubig, was hier gelungen ist. „Es ist heute eine andere Welt hier. Es ist ein unglaublicher Erfolg, damit haben wir nie gerechnet. Ich bin noch immer fassungslos, was in dieser Zeit gelungen ist.“