Wissen/Gesundheit

Mehr Bewegung: "Bereits im Kindergarten ansetzen"

Forderungen. Er ist Experte und ruft zum Handeln auf: Peter McDonald war Chef der Sozialversicherungen, seit Juli ist er Präsident der Sportunion, die mit etwa 920.000 Mitgliedern in über 4000 Vereinen einer der drei großen Sportdachverbände Österreichs ist.

KURIER: Sie kennen die österreichische Gesundheit von mehreren Blickwinkeln aus. Sieht nicht gut aus, oder?

Peter McDonald: Was die Reparaturmedizin betrifft, wird hervorragende Arbeit geleistet. Aber es wird kaum Fokus drauf gelegt, die Menschen möglichst lange gesund zu halten – und da schließt sich der Bogen zur Bewegung. Österreicher leben um fünf Jahre weniger gesund als Durchschnittseuropäer, trotz gutem Gesundheitssystem. Wir sind Bewegungsmuffel, und so ist ein Drittel der Achtjährigen schon übergewichtig.

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Sie betonen seit ihrem Antritt den schlechten Stellenwert des Sports. Wir sind doch eh so „Es lebe der Spurt“ und „ Marcel Hirscher Superstar“.

Der Sport verkauft sich unter Wert, ganz selbstkritisch gesehen. Wenn eine Pille erfunden würde, die Blutdruck, Krebs- und Diabetesrisiko senkt oder sogar Krankheit heilen kann, ließe sich die jeder verschreiben – was Millionen kosten würde. Wir haben dieses Wundermittel schon: die Bewegung. Menschen müssen sich bewegen. Ich bin auch ein Fan von Marcel Hirscher, aber Ehrenamtliche, die Kinder vier Mal pro Woche zum Sport bringen, sind auch Helden, vielleicht größere.

Alle reden seit Jahren von mehr Kinderbewegung. Warum geschieht so wenig?

 

Gesundheitspolitik und Sport kooperieren zu wenig. Dazu muss die Politik den Sport ernster nehmen, nicht irgendeinem Minister als Anhängsel draufklatschen. Wir als Sportverband müssen klarer herausarbeiten, was unsere Leistungen sind. Alleine die Sportunion-Vereine bringen 320.000 Kinder zur Bewegung. Das ist ein wesentlicher Beitrag, nicht nur für Gesundheit, sondern auch für die Schule des Lebens, von Teamfähigkeit bis Integration. Wir wollen Leistungsvereinbarungen mit den Ministerien schließen, aber die Politik muss das Thema angehen.

Leistungsvereinbarungen bedeuten, sie wollen Geld.

Unsere Leistungen müssen abgegolten werden, damit wir die Strukturen verbessern. Die Turnsäle mancher Schulen sind an 180 von 365 Tagen geschlossen. Wenn ich dort zum Beispiel nur 150 Einheiten mehr Eltern-Kind-Turnen mache, bringe ich 2500 Kinder zur Bewegung. Eltern wollen das, Kinder wollen das, es ist Aufgabe der Politik, die Möglichkeiten zu schaffen.

Bewegung ist aber schon eine Frage der Eigenverantwortung.

Natürlich auch, aber in den Städten haben wir mehr Anfragen von Kindern und Jugendlichen als Sportstätten. Die Stadt Graz baut auf Sportunion-Expertise eine Mehrzweckhalle, das brauchen wir auch in Wien mehr und in anderen Städten. Es geht ja nicht immer nur um Nationalstadien, es geht um Mehrzweckräume in unterschiedlichen Größen für verschiedene Bedürfnisse.

Die tägliche Bewegungseinheit für alle blieb eine gute Idee, dabei würde sie nur 52 Millionen Euro kosten – nicht viel in politischen Dimensionen. Fehlt der Wille?

Wir müssen weiter denken: Nachmittagsbetreuung nimmt zu. Wir müssen also Vereine in die Schulen bringen und Kooperationen ermöglichen. Heute darf nur ein Lehrer in der Schule tätig sein, da muss man Bürokratie reduzieren. Und schon in Kindergärten ansetzen, die Kinder zur Bewegung bringen. Es ist zwar schon jedes zweite Kind in einem der 15.000 Vereine, aber das wollen wir noch forcieren.