Blutplasma: Warum der Bedarf steigt und Spender gesucht werden
Es ist eine typische Geschichte für Menschen mit Abwehrschwäche: Ein 29-jähriger Mann hat mehrere Lungenentzündungen hinter sich. Seit Jahren ist er mindestens alle zwei Monate verkühlt, oft kombiniert mit eitriger Bronchitis. Alle drei Wochen benötigte er im Winter eine Antibiotika-Therapie. „Durch Spezialuntersuchungen konnten wir eine schwere, angeborene Abwehrschwäche diagnostizieren“, erzählt der Immunologe Hermann Wolf, Leiter der Immunologischen Tagesklinik in Wien. Dem Patienten fehlen Antikörper, um Krankheitserreger zu bekämpfen. Seit er allerdings mit aus Blutplasma gewonnenen Immunglobulinen (Antikörpern) behandelt wird, ist seine Infektanfälligkeit um 97 Prozent zurückgegangen.
Oder Apollonia Schipits: Sie ist von einer seltenen Erbkrankheit (hereditäres Angioödem) betroffen, die zu plötzlich auftretenden Schwellungen u. a. des Darms, der Zunge oder den Schleimhäuten in der Luftröhre führt – mit lebensgefährlichen Folgen. Früher musste Schipits bei solchen Attacken zur Behandlung mit Plasma ins Spital.
„Aber seit einigen Jahren ist eine vorbeugende Therapie zur Verhinderung solcher Anfälle mit Medikamenten aus Blutplasma möglich“, erzählt Schipits: „Seither ist meine Lebensqualität von null auf hundert gestiegen.“
Ob Blutgerinnungsfaktoren für Hämophiliepatienten, Immunglobuline für Menschen mit Immunschwäche, Fibrinkleber als Wundverschluss bei Operationen oder Albumin für die Therapie von schweren Verletzungen oder Verbrennungen: der Ausgangsstoff ist immer Blutplasma. „Der Bedarf an Plasmaprodukten steigt derzeit jährlich um sechs bis acht Prozent“, sagt Matthias Gessner, Leiter der BioLife-Plasmazentren in Europa.
Einerseits, weil mehr bisher unerkannte Erkrankungen diagnostiziert werden (die Dunkelziffer von Immundefekten ist hoch). Und andererseits, weil manche moderne Therapien gegen entzündliche Erkrankungen (z. B. entzündliches Rheuma) das Immunsystem schwächen – und die Patienten dann Immunglobuline benötigen.
„Gleichzeitig ging in den vergangenen fünf Jahren das Aufkommen von Plasmaspendern um zehn Prozent zurück“, erzählt Gessner. Von 18 Plasmaspendenzentren in Österreich gehören 10 zur BioLife-Gruppe des japanischen Pharmakonzerns Takeda. Mittwoch wurde das modernste Zentrum Österreichs in der Wiener Operngasse eröffnet. Die Verarbeitung der Plasmaspenden zu Medikamenten erfolgt im Takeda-Werk in Wien (früher Baxter).
Vorreiter Österreich
Österreich zählt mit Deutschland, Tschechien und Ungarn zu den nur vier Staaten in der EU, die dank eines Netzes an Plasmazentren ihren Eigenbedarf decken können. Insgesamt ist die EU aber zu 35 Prozent von Spenderplasma aus den USA abhängig.
Österreich ist übrigens ein Vorreiter auf dem Gebiet der Plasmaspende: Das erste Spendenzentrum Europas wurde 1964 in Wien von der Firma Immuno eröffnet.
Blutplasma-Medikamente kann man nicht im Labor nachbauen: „Das Immunsystem produziert eine derartige Vielfalt an Antikörpern, dass das nicht möglich ist“, betont Wolf. „Deshalb sind wir auf das humane Blutplasma angewiesen.“ Damit ein Immunschwäche-Patient möglichst viele ihn schützende Antikörper erhält, werden immer die Plasmaspenden tausender Menschen gemischt.
Ein langjähriger Plasmaspender ist Alexander Fenz, 30. „Mit 18 habe ich in Wr. Neustadt, NÖ, meine erste Plasmaspende geleistet, seither waren es insgesamt 471 Spenden.“ Plasmaspenden sei genauso wichtig wie Blutspenden (Vollblutspenden, also Blutkörperchen und Plasma): „Beides rettet Leben. Gleichzeitig nutze ich das Spenden als Gesundheitscheck – die wichtigsten Blutwerte werden untersucht und ich habe die Möglichkeit eines ärztlichen Gesprächs.“
1200 Spenden für einen Bluter pro Jahr
Für die Jahrestherapie eines Menschen mit 75 kg Gewicht sind bei der Bluterkrankheit (Hämophilie A) rund 1200 Plasmaspenden notwendig, um den notwendigen Blutgerinnungsfaktor herstellen zu können. Für die Therapie eines vererblichen Immundefekts sind es immerhin rund 130 Plasmaspenden.
Die Häufigkeit des Spendens ist in Österreich streng geregelt. Innerhalb eines Jahres darf man maximal fünfzig Mal spenden, innerhalb von 14 Tagen dreimal und innerhalb von 7 Tagen zweimal. Maximal werden 700 ml Plasma entnommen, die Blutkörperchen fließen in den Körper zurück. Die Aufwandsentschädigung pro Spende beträgt 25 Euro (der Zeitaufwand im Spenderzentrum beträgt rund eine Stunde).
Plasma kann übrigens auch aus einer Vollblutspende gewonnen werden, allerdings in einer deutlich geringeren Menge als bei einer reinen Plasmaspende.
Mehr Informationen über die Plasmaspende: www.plasmazentrum.at
Blut besteht zu 40 % aus Blutzellen (roten und weißen Blutkörperchen) und zu 60 % aus Blutplasma, dem flüssigen Blutbestandteil.
Das Plasma ist eine gelbliche Flüssigkeit und besteht zu 92 % aus Wasser, zu 1 % aus Mineralsalzen und zu 7 % aus Proteinen, die u.a. für das Immunsystems wichtig sind.
Die Eiweiße werden getrennt, gereinigt und zu Medikamenten verarbeitet.