Blaues Licht: Die Gefahr in der Lampe
Von Anja Krämer
„Das Auge ist kein Spektralgerät“, ist einer der ersten Sätze, mit denen Karl Albert Fischer, Leiter des Österreichischen Instituts für Licht und Farbe seinen Licht-Workshop einleitet. Wäre unser Auge ein solch technisches Hilfsmittel zur Darstellung von Lichtspektren, so würde es sehr viel öfter die Augenlider senken. Denn Licht ist nicht gleich Licht. Und kann beispielsweise Infrarotlicht zur Bekämpfung von Depressionen beitragen, so sind sich die Wissenschaftler heute großteils einig, dass blaues Licht zu Langzeitschäden für unsere Augen führt.
Lichtgeschöpfe.Licht ist über die reine Funktion des Sehens hinaus ein wichtiger Taktgeber: „Leben auf der Erde ist untrennbar mit dem Licht verbunden. Denken wir etwa an die Fotosynthese bei Pflanzen, das Überwintern und die Migration von Tieren, beides gesteuert durch die biologische Uhr. Beim Menschen dient Sonnenlicht als zentrales Steuerelement für den Schlaf-Wach-Rhythmus und steuert vielfältige körperliche Mechanismen wie unser Immunsystem oder die Hormonproduktion, Metabolismus, Körpertemperatur, Blutdruck und mehr“, erklärt Eva Schernhammer, Professorin für Epidemiologie an der Uni Wien.
Lichtspektrum
Das Spektrum des Lichts gliedert sich dabei in sichtbares und nicht sichtbares Licht und wird in Nanometern (nm) gemessen. Ultraviolettes Licht bewegt sich im Spektrum zwischen circa 180 und 400 nm. Das sichtbare Licht, welches wir mit unseren Augen wahrnehmen können, zwischen 380 und 750 nm. Wieder im nicht sichtbaren Bereich liegt zwischen 780 und 1400 nm der Bereich des Infrarot. „Die Sonne – vor allem zu viel davon – hat auch negative Auswirkungen, wie Hautkrebs oder AMD (altersbedingte Makuladegeneration)“, bestätigt Schernhammer, die sich in ihren Forschungen speziell mit dem Zusammenhang von Licht und Krebs befasst hat. Ein entsprechender Sonnenschutz habe sich in Form von Sonnencremen und Sonnenbrillen bewährt, „ganz besonders für Hochrisikoberufe wie Fischer oder Skilehrer.“
Was Lichtforscher aktuell beschäftigt, sind die Auswirkungen von blauem Licht auf den Menschen. Zwischen 380 und 440 nm kommt hier Licht auf unsere Augen zu, das als High Energy Visible Light (HEV) bezeichnet wird. Blaues Licht gilt als Hauptverursacher der Photoretinitis, einer Netzhautschädigung. Auch wenn blaues Licht weniger energiereich als ultraviolettes ist, dringt es im Gegensatz dazu fast ungefiltert durch das Auge und erreicht die Netzhaut – ultraviolettes Licht schafft dies nur zu weniger als fünf Prozent. Die Folge: Es kann neben Binde- oder Hornhautentzündungen auch zu chronischen Schäden des Auges kommen. Ist hier die Augenlinse betroffen, äußert sich dies in Form eines Grauen Stars sowie der häufigsten Langzeitfolge: AMD.
Mit allen Sinnen
In Industriestaaten ist AMD die häufigste Erblindungsursache, allein in Deutschland gibt es ca. 4,5 Millionen Fälle. Opthalmologen, Augenfachmediziner, beschreiben als Erstsymptome Lese-Probleme, eine beginnende Verzerrung des Sichtfeldes, das Auftreten von Wellenlinien sowie das Auftreten eines gräulichen Flecks im zentralen Gesichtsfeld. Ein Schnellverfahren, um etwaige Sehstörungen selbst zu überprüfen, ist der Amsler-Gitter-Test. „Jeder 70-Jährige hat heutzutage ein 33-prozentiges Risiko auf Erblindung“, führt dies Fischer aus. Zurückgeführt wird AMD auf die steigende Anzahl von Bildschirmen und dem Wechsel von Glühbirnen zu LED-Lampen, die, um weißes Licht zu erzeugen, gelbes mit blauem Licht mischen. Besonders schädlich sind die Auswirkungen von blauem Licht nachts. Denn fällt auch nur kurz blaues Licht auf unser Auge, wird die Melatoninproduktion unseres Körpers eingestellt. Die Folge: Wir können nicht schlafen oder schlafen schlecht, worauf auf lange Sicht Übergewicht und Diabetes folgen können.
Nachtmodus in Rot
Die Wissenschaft streite sich noch, „ob blaues Licht oder das gesamte Licht AMD verursacht. Aber vom Blaulichteffekt weiß man seit zehn Jahren“ erklärt Fischer. Auch Schernhammer bestätigt: „In den letzten drei Dekaden hat sich die Evidenz verdichtet, dass der Zusammenhang zwischen blauem Licht und den negativen Folgen auf den menschlichen Körper ‚sehr wahrscheinlich‘ bis ‚gesichert‘ ist“. Laut Fischer und Schernhammer beschäftigen sich aktuell internationale Komitees mit der Beurteilung dessen.
Es ist wichtig zu unterscheiden, welchem Licht sich der Mensch aussetzt. „Die Sonne kann unsere Stimmung aufhellen, Licht wird gegen ‚Seasonal Affective Disorder‘ (Winterdepression) eingesetzt, sie wird zur Vitamin-D-Produktion benötigt und stärkt unser Immunsystem“, sagt Schernhammer. Als Schutz vor den Negativfolgen von blauem Licht kann man auch abseits von Sonnencreme und -brille viel tun: Es gibt sogenannte Prisma-Bildschirmbrillen, die blaues Bildschirmlicht filtern, viele Optiker bieten Blaulichtfilter für Lesebrillen an. Smartphones und Laptops haben einen Nachtmodus, um die Screenfarbe in den Rotbereich zu hieven. Der Ferrari unter den Lichttechnikern ist dann das Spektralgerät, mit dem das Lichtspektrum jeder einzelnen Lampe gemessen werden kann. Schlägt hier das Diagramm in Richtung blau aus, dann lieber: Augen zu!