Leben/Essen & Trinken

Jetzt hat auch Wien einen Sautanz

"Nichts hat in diesen Wochen Saison, Weihnachten ist vorbei und mit dem Hering geht's erst los." Also hat sich der Küchenchef des Haas Beisl in Wien-Margareten an seine Kindheit erinnert und in dieser Zeit gab es im burgenländischen Lockenhaus stets den Sautanz. Bei diesen Hausschlachtungen zu kalten Wintertemperaturen kamen alle Nachbarn und die ganze Familie am Hof zusammen und verwerteten gemeinsam die Tiere. Da wurde das Schwein zerlegt, das Blut gekocht, die Innereien aufgetischt und das Fleisch verwurstet oder konserviert.

Damals hatte jedes Wirtshaus auch einen eigenen Stall.


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Christian Tischler: "Mein Onkel war Gastwirt, damals hatte jedes Wirtshaus auch einen eigenen Stall. Schon als kleines Kind habe ich beim Sautanz mitgeholfen: Es war ein richtiges Familienfest, die Großeltern waren dabei, aber wir Kinder durften geröstete Leber oder Bratwürstel selber machen." Die Kindheits-Klassiker will der Burgenländer neu interpretieren, so tischt er heute pannonische Nierndln mit Paprika-Thymian-Sauce und Topfen-Serviettenknödel auf. Letztere sind eine Hommage an die traditionellen burgenländischen Topfen-Nockerl.

Die Würstel schmecken wie in der Kindheit

Beim Verwursten musste der Wirtskoch sein Wissen allerdings auffrischen. Die Fleischqualität, das Wetter und die richtigen Griffe wollten erst nach einigen Anläufen gelingen. "Beim Abdrehen der Würstel habe ich mich angestellt wie der erste Mensch, aber nach hundert Versuchen ist der Darm nicht mehr gerissen." Vor allem die Würzung schmeckt wie damals bei seinem Onkel – ein bissl Majoran, Knoblauch, Kümmel, Koriander, Thymian und Pökelsalz sorgen für den Geschmack aus der Kindheit. Was hat das Wetter mit der Prozedur zu tun? Der Koch muss lachen: "Ich verstehe es nicht." Hauptsache, es funktioniert jetzt.

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Hirn, Leber und Zunge müssen rasch verarbeitet werden – Herz und Beuschel halten ein wenig länger. Vor mehr als zwei Wochen begannen die Vorbereitungen für das große Schlemmen: Das Fleisch liegt seit knapp zwei Wochen in der Sur, die Würstel sind essbereit und hängen seit zehn Tagen in der Selch. Für den Festschmaus schlachtete Thomas Haubenwallner, ein befreundeter Fleischhauer aus Lockenhaus, fünf Schweine, jedes Tier wog rund 120 Kilogramm. Trotz der Liebe für Innereien verdrücken freilich die Stammgäste des Haas-Beisls diese Mengen nicht, Mit-Eigentümer Gerald Schedl lässt die Delikatessen auch im Gösser Schlössl und im Gösser Bräu servieren.

Eine schöne Abstechsuppe ist nichts Alltägliches.


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Angefangen vom Sauschädel bis zum Schwanzerl verarbeiten die Beisl-Chefs alles: Aus dem Kopf und den Schweinsfüßen wird die Abstechsuppe, aus dem Blut machen sie frische Blunzen: "Eine schöne Abstechsuppe ist nichts Alltägliches. Die Gäste sind experimentierfreudig und bestellen alles. Freilich gibt es die Gerichte nur, bis sie aufgegessen sind. Fünf Schweine, fünf Schwanzerl, zehn Ohren, mehr gibt's nicht." Besonders gut kommen Surbraten, Saumaise (faschiertes Pökelfleisch, das gekocht wird) oder auch Grammelschmalz an: "Bei uns darf alles Zeit brauchen: Der Surbraten schmeckt ganz anders als im Supermarkt, weil er bei uns zwei Wochen hängen durfte. Das Salz entzieht dem Fleisch Feuchtigkeit, dadurch wird es viel weicher."

Wir, Kinder, haben gewusst, warum wir Tiere halten.


Gastronom Schedl stammt ebenso aus dem Mittel-Burgenland und kennt die Tradition des Sautanzes. Negative Erinnerungen an das Schlachten kennt er nicht: "Wir, Kinder, haben gewusst, warum wir Tiere halten. Es war klar, dass wir die Schweine nur füttern, weil wir sie eines Tages essen werden."

Info: Haas Beisl, Margaretenstraße 74, 1050 Wien, Montag bis Freitag 11 bis 23 Uhr, Samstag 11 bis 22 Uhr, Sonntag 10 bis 21 Uhr, Sautanz bis 10. Februar

Gösser Bräu Ottakring, Thaliastraße 125A, 1160 Wien, Montag bis Mittwoch 10 bis 23 Uhr, Donnerstag bis Samstag 10 bis 24 Uhr, Sonntag 10 bis 22 Uhr

Gösser Schlössl, Geßlgasse 4A, 1230 Wien, Montag bis Donnerstag 8 bis 24 Uhr, Freitag und Samstag 8 bis 1 Uhr, Sonntag 8 bis 23 Uhr