Trend: Mit Essig würzen
Von Ingrid Teufl
Feine Nuancen von fruchtiger Säure, im Abgang ist ein Hauch von Paradeisern zu schmecken – Beschreibungen wie diese könnten durchaus aus einer Weinverkostung stammen. Tatsächlich geht es aber um Essig. Denn die Zeiten, als Essig als minderwertige Einheitswürze unter dem Motto "Hauptsache sauer" zum Salat kam, sind schon lange vorbei. Heute setzen Feinschmecker auf Geschmacksvielfalt und Sortenreichtum und da gibt es zwischen Marillenessig und Aceto Balsamico ganze Universen zu entdecken.
"Ich erlebe immer, wie erstaunt unsere Besucher darüber sind, was mit Essig alles möglich ist", sagt Alois Gölles, der mit seiner gleichnamigen "Manufaktur für edlen Brand und feinen Essig" im steirischen Vulkanland in Riegersburg seit mehr als 30 Jahren als Essigmacher betätigt. In diesen Jahren hat sich nicht nur die Vielfalt des Sortiments erweitert, sondern auch die Einsatzmöglichkeiten haben zugenommen.
Gaumenspiel mit Aromen
Zwei Wochen lang tüftelte Stefan Schartner mit Aromen, Geschmäckern, Würzungen und Gerichten. "Es ging mir darum, die Eigenschaften eines Gerichts mit Hilfe eines speziellen Essigs noch besser herauszuarbeiten und geschmacklich passend zu ergänzen", erklärt er. Herausgekommen ist ein sechsgängiges, süß-saures Gourmet-Menü, das noch bis 31. Oktober genossen werden kann. Jeden Gang - von der Vorspeise bis zum Dessert - schmeckt er mit unterschiedlichen Essigen ab.
Menü
Ein Auszug aus der Menükarte gefällig? Als Vorspeise serviert Schartner beispielsweise "Zander in klarem Paradeisaspik mit Kopfsalat und Essigkaviar". Für letzteres verarbeitete er Paradeiseressig mit Techniken aus der Molekularküche. Zerplatzen die kleinen Kügelchen am Gaumen, breiten sich die feinen Geschmacksnuancen erst richtig aus - und es kommt zu Beschreibungen wie der eingangs erwähnten. Beim Zwischengericht - einem "Süß-sauren Bratapfelsorbet mit Essighippe und Apfel-Balsam-Injektion" kam Gölles Essig-Klassiker, der Apfel-Balsamico, zum Einsatz. Der jahrelang im Eichenfass gereifte Apfelessig nach Balsamico-Art kam 1984 das erste Mal auf den Markt. Heuer feierte man das 30-jährige Jubiläum. Dass er einmal ein Erfolg werden würde, war zu Beginn nicht klar. "Anfangs konnte sich niemand einen derartigen Essig vorstellen", erinnert sich Gölles.
Essig löffelweise
Dass der Essigcharakter auf das jeweilige Gericht und umgekehrt abgestimmt wird, ist aber nicht alles. Ebenso wird der Essig löffelweise verkostet. Das kommt aus der Praxis, verrät Gölles. "Üblicherweise verkosten wir in der Manufaktur Essig am Löffel und testen, wozu er harmoniert. " Es reicht dafür ein kleiner Löffel. "Diese Menge ist gerade richtig und nicht zu sauer. Der Fruchtgeschmack ist deutlich erkennbar und aktiviert die Geschmacksnerven." So einen Genuss kann man sich zuhause ruhig auch gönnen.